Inzwischen
ist alles so normal bei uns in der Familie, dabei ist es noch gar nicht so
lange her, da glaubte ich, die Hölle auf Erden zu haben. Schon seltsam, was
eine Diagnose alles verändern kann. Bei uns hat sie unser Leben verändert,
positiv verändert. Früher gehörten Wutausbrüche bei unserem Sohn zum normalen
Tagesablauf, man konnte fast schon die Uhr nach stellen. Gereizt waren alle bei
uns, freundliche Wörter kamen kaum noch über die Lippen. Gegenseitige Vorwürfe,
Tränen der Verzweiflung, ein ständig schreiendes und verweigerndes Kind,
Stress, alles war vorhanden, nur keine Ruhe, kein richtiger
Familienzusammenhalt, keine glückliche Familie. Dabei fing alles so harmonisch
und glücklich an.
Ich kenne
meinen Mann schon aus Kindheitstagen, wir wohnten in der selben Straße. Aber
als Kinder haben wir nie zusammen gespielt. Erst im jungen Erwachsenenalter
haben wir so langsam Kontakt zueinander gefunden. Es entwickelte sich eine
super Freundschaft. Wir haben uns anfangs nie oft gesehen, aber irgendwie
hatten wir einen Draht zueinander und jeder wusste vom anderen, das er für
einen da ist, wenn wir einander brauchten. So war es dann auch, als ich eines
Abends den Sohn meiner Freundin bei mir hatte, damit sie mal ausgehen konnte.
Ich hütete derweil unsere beiden Kinder zu Hause. Dann klingelte es und mein
„Mann“ kam zu Besuch. Kurze Zeit später wurden beide Kinder kurz hintereinander
wach, sie waren damals 6 Monate und 1 ½ Jahre alt. Mein Besuch nahm mir sofort
und wie selbstverständlich ein Kind ab und kümmerte sich drum, bis es wieder
eingeschlafen war. In diesem Moment betrachtete ich meinen „Mann“ zum ersten
Mal nicht nur als guten Freund, sondern stellte mir auch vor, wie es wäre, wenn
wir so eine kleine perfekte Familie hätten. Aber es blieb halt bei einer sehr
guten Freundschaft. Das Lied von Klaus Lage „1000 Mal berührt, 1000 mal ist
nichts passiert“ passte wohl wunderbar auf uns zu, denn wir kamen wirklich erst
9 Jahre später fest zusammen.
Da mein
Mann in der Zwischenzeit auch schon eine gerade gescheiterte Ehe hinter sich
hatte, aus denen 2 Kinder hervorgegangen sind und ich ja alleinerziehend war
mit meinem inzwischen fast 10jährigen Sohn, waren wir von diesem Moment eine
perfekte Patchwork-Family. Die Kinder untereinander verstanden sich prima und
auch wir kamen gegenseitig super mit den Kindern des anderen aus. Alles war
perfekt. Wir waren einfach nur glücklich und waren uns beide einig, das eine
Ehe nicht in Frage kommt und auf keinen Fall ein weiteres Kind.
Manchmal
kommt es anders als man denkt. Nach vier Jahren wurde ich dann doch ungewollt
schwanger. Nun, wir bekamen also ein nicht geplantes/gewolltes, aber doch
erwünschtes gemeinsames Kind. Aufgrund meines Alters riet der Arzt mir zu einer
Fruchtwasseruntersuchung, der ich einwilligte. Eigentlich war mir das Ergebnis
total egal, aber ich wünschte mir so sehr noch einen Jungen und von daher
konnte ich das Ergebnis dieser Fruchtwasseruntersuchung kaum abwarten. Als der
erlösende Brief endlich eintraf, traute ich erst gar nicht, ihn zu öffnen. Zum
Glück siegt bei mir oftmals die Neugier. Ein Junge!!! Ich schrie durchs ganze
Haus vor Freude. Wir waren einfach nur glücklich – obwohl wir uns wohl über
eine Tochter genau so gefreut hätten.
Die
Schwangerschaft verlief aus meiner Sicht einfach nur furchtbar. Anfangs mit den
typischen Übelkeiten, denen ich mich gute 3 Monate hingeben musste. Dann kamen
schon kurze Zeit später Schmerzen während den normalen Bewegungen. Nach einer
Untersuchung wurde festgestellt, dass sich einige Wirbel bei mir ausgerenkt
hatten. Dazu musste ich zu einer Sportärztin, die sich mit einrenken während
einer Schwangerschaft gut auskannte, da man dies nicht einfach mal so machen
sollte. Ich wurde während der gesamten Schwangerschaft Stammpatient bei ihr.
Nach einer weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass sich mein Becken
ebenfalls verschoben hatte. Der Unterschied von der rechten zur linken
Beckenseite lag bei 5 cm. Jeder Gang schmerzte, ich wurde bis auf weiteres
krankgeschrieben, denn so konnte ich nicht arbeiten.
Als dann
endlich die Wehen einsetzten mit gut 10 Tagen nach dem errechneten Termin, fuhr
mein Mann mich ins Krankenhaus. Die Wehen kamen inzwischen regelmäßig in
5-minütigen Abständen, aber der Wehenschreiber zeigte nichts dergleichen an.
Als endlich eine Untersuchung angeordnet wurde, stellte man fest, das der
Muttermund bereits 8 cm auf war und trotz der fehlenden Wehen am Wehenschreiber
die Geburt langsam vorbereitet werden sollte. Langsam….ich glaubte mich zu
verhören. Als man mich in den Kreissaal brachte, hatte ich bereits Wehen im
Abstand von 3 Minuten und endlich zeigte auch der Wehenschreiber mal etwas an.
Gerade als der Arzt noch einmal schauen wollte, wie weit der Muttermund nun
geöffnet war, platzte meine Fruchtblase und das ganze Wasser lief raus. Im
nächsten Moment hatte ich auch schon die erste Presswehe. Kaum hatte ich diese
schmerzvoll überstanden, bat ich um eine PDA (Peridualanästhesie). Diese wurde abgelehnt, genauso wie andere
schmerzlindernde Mittel. Es machte
sich bereits die nächste Presswehe bemerkbar, also der Arzt plötzlich sagte,
„nicht pressen – schön durchhalten, nur nicht pressen“. Gut gesagt, er war ja
nicht in meiner Lage, ich wollte aber pressen und dieses Kind endlich in die
Freiheit entlassen. Kaum waren die Worte vom Arzt ausgesprochen, verschwand
dieser auch mit Hebamme und Schwester und ich war ganz allein mit meinem Mann
im Kreissaal. Es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis endlich ein ganzes
Ärzteteam einschließlich Narkosearzt wieder hereinkamen. Ich verstand kaum,
wovon alle redeten, da mich der Schmerz so in seiner Gewalt hatte, dass ich
fast taub war. Der Narkosearzt versuchte mit mir ein Aufklärungsgespräch zu
führen. Ich wollte einfach nur noch, das endlich alles vorbei ist und so
schoben sie mich schnell in den OP zwecks Vollnarkose und Kaiserschnitt.
Nachdem ich wieder zu mir kam, wurde mir kurz noch einmal erläutert,
warum so plötzlich und unerwartet der Kaiserschnitt eingeleitet werden musste.
Es gab eine Geburtskomplikation: Geburtsstillstand in der Eröffnungsphase. Zum
Glück ist alles gut gegangen. Mein Sohn war wohlauf. Während der OP ist den
Ärzten zwar noch ein kleiner Fehler unterlaufen, sie haben wir die Blase mit
aufgeschnitten, so dass ich 4 Tage mit einem Urinbeutel umherlaufen musste.
Aber das war während des Krankenhausaufenthaltes wohl das kleinste Übel. Mein
Kind schrie nur, es war kaum zu beruhigen. Brust anlegen war schier unmöglich
und so blieb es natürlich nicht aus, dass ich am dritten Tag einen Milchstau hatte.
Dank der totalen Überforderung der Krankenschwestern wurde dies trotz
mehrfachen Hinweises von mir nicht behandelt. So kamen aufgrund eines
schreiendes Kindes, der Schmerzen des Milchstaus, eines Kindes, dass 2 Stunden
nicht auffindbar war (waren wohl die schlimmsten 2 std. meines Lebens) auch
noch Wochenbettdepressionen hinzu. Alles war perfekt. Nach 5 Tagen habe ich
mich auf eigene Verantwortung aus der Klinik entlassen. Ich suchte sofort meine
Gynäkologin auf, damit sie mich behandeln konnte. Der Milchstau war bereits so
akut, das sie mir nur noch raten konnte, abzustillen. Und das, bevor ich
eigentlich so richtig angefangen habe zu stillen. Erst Kaiserschnitt, dann kein
Stillen, wie sollte ich eine erste feste Bindung zu meinem Kind aufbauen. Meine
Ängste kamen wieder, die ich bei meinem ersten Sohn schon hatte, aber hier
fehlten diesmal jegliche Gefühle in mir. Nachdem ich kurze Zeit später von
meinen Schmerzen befreit war, konnte ich mich dann aber doch etwas intensiver
um meinen Sohn kümmern und ich merkte schon beim Anblick, das ich dieses Kind
ebenso lieben könnte, wie meinen Erstgeborenen. Aber der Stress zuhause lies
nicht nach. Er war nur am schreien, schlafen war für ihn ein Fremdwort. Er
schaffte es mehrmals täglich für ca. 20 min., leider verliefen so auch die
Nächte. Das Trinken mit der Flasche war genauso kompliziert, wie anfangs das
Anlegen an der Brust. Auch wenn wir ihn auf den Arm nehmen wollten, damit er
mal etwas weniger schrie, wir erreichten damit das Gegenteil. Meine Nerven
lagen schon fast blank. Selbst das Windel wechseln und an- und auskleiden,
immer nur mit Geschrei. Der Kinderarzt konnte nichts feststellen. Eines Tages,
ich war mal wieder dabei, die Flasche zu verabreichen, da klingelte das
Telefon. Ich legte meinen Sohn aufs Sofa, gab ihn mit einer Hand die Flasche
und mit der anderen ging ich ans Telefon. Plötzlich trank er. Er trank so
dermaßen schnell, das man glauben konnte, er wäre ausgehungert. Zur nächsten
Flaschenzeit probierte ich wieder diese Lage
des Flaschen gebens aus und was soll ich sagen: Lag er auf dem Sofa und
ich gab ihm einfach so teilnahmlos die Flasche, dann trank er. Sobald er in
meinem Arm lag beim Flasche geben, gab es nur Geschrei. Beim Wickeln versuchte
ich dann auch, die typischen Babyspielereien beiseite zu legen und ihn einfach
kurz und knapp auszuziehen, Windel wechseln, sauber machen, anziehen. Supi. Nun
hatte ich ein Kind, dem man kein Lächeln abgewinnen konnte, kein Blickkontakt
mit uns hielt, keine Nähe wollte. Ich gab natürlich diesem Kaiserschnitt mit
all den Komplikationen die Schuld, denn ich hatte ja keine Möglichkeit,
richtige Wärme bzw. eine richtige Bindung mit meinem Kind aufzubauen.
Sobald mein Mann von der Arbeit kam, nahm er mit den Jungen ab, ging mit
ihm Spazieren, damit ich ein wenig Schlaf nachholen konnte. Aber natürlich
hielten diese Spaziergänge keine Ewigkeit.
Meine Nerven lagen blank und das lies ich natürlich an meinem Mann aus.
Blieb ja nicht aus.
Zwei Jahre nach der Geburt unseres Sohnes beschlossen wir zu heiraten. Ob die Idee zu diesem Zeitpunkt gut war, wußte ich nicht, da unsere Beziehung durch unseren Sohn einen totalen Knackpunkt erreicht hatte.
Unser Sohn wurde älter, aber seine Art wurde für uns fast unerträglich.
Diese Zustände sprach ich immer wieder beim Kinderarzt an, aber man wurde ja
nur mit „das sind nur Phasen“ oder „sie müssen sich besser durchsetzen und die
Sanktionen verschärfen“ vertröstet. Ich wechselte in dieser Zeit drei Mal die
Kinderärzte, langsam hatten wir hier kaum noch Auswahl, aber von allen hörte
ich immer nur das gleiche.
Im Sommer, kurz vor seinem 3. Geburtstag, tobte er mal wieder quer durchs
Wohnzimmer. Ich ging raus, um eine zu rauchen, meine Nerven lagen mal wieder
blank. Mein Mann hatte Spätschicht und war nicht daheim. Plötzlich ein lautes
Geschrei. Ich lief ins Wohnzimmer und sah schon überall das Blut. Es lief
meinem Sohn vom Kopf und verteilte sich überall. Ich schrie nur laut los, was
meinen ältesten Sohn alamierte. Während ich den Kleinen auf den Arm nahm und
Richtung Badezimmer lief um die Wunde mit Kompressen etwas zu lindern, lief
mein Großer zur Nachbarin rüber. Diese kam auch sofort und wir führen in die
Klinik. Dort angekommen war ich bereits blutüberströmt. Zwei Schwestern kamen
mir sofort entgegen, wollten mir den Jungen abnehmen, damit sie mich
„verarzten“. Habe den Irrtum schnell aufgeklärt und mein Sohn wurde sofort
verarztet. Seine Platzwunde am Kopf wurde geklammert und wir durften nach 1
Stunde wieder das Krankenhaus verlassen. Man gab mir noch schmerzlindernden
Saft mit. In der Zwischenzeit hat mein ältester Sohn meinen Mann informiert und
dieser traf zeitgleich mit uns zuhause ein. Unser Sohn regte sich kaum. Wir
glaubten immer noch an einen Schock. Als ich ihm den Saft geben wollte,
verweigerte er diesen. Das kannten wir vorher nicht. Er sprach kaum noch. Irgendwie
zog er sich zurück.
Wieder suchte ich einen Kinderarzt auf und bat um Überweisung ins SPZ.
Diese Überweisung wurde mir verweigert, da er sich normal entwickelte und alles
andere, lt. Aussage der Kinderärztin nur „Phasen“ seien. Ich konnte es nicht
mehr hören. Ich war mir sicher, er zeigte Verhaltensauffälligkeiten, wieso
glaubte mir keiner.
Er redete nur noch das notwendigste zuhause, aber meistens schrie er. Er
spielte anders. Er fing an seine Autos immer in der gleichen Anordnung
aufzustellen. Dies machte er auch mit seinen Stöcken, die er draußen sammelte
oder mit Steinen. Das war seine Art zu spielen.
Seine Wutausbrüche wurden schlimmer, so dass ich eines Tages (es war
an seinem 3. Geburtstag) meine Geduld verlor. Wir hatten bereits die
Geburtstagsgäste im Haus, es war relativ laut und unser Sohn fing an, mit
Gegenständen auf uns und auf die Gäste zu schlagen. Da zog ich meinen Latschen
aus und schlug zu. Es war wohl der schlimmste Moment im meinem Leben. Ich
habe meinen Sohn auf eine Art geschlagen, dass mein Mann mich bremsen musste.
Als ich mich wieder sortiert hatte, rief ich sofort das Jugendamt an. Ich
schilderte die Situation und bat um Hilfe, da ich nicht wusste, wie lange ich
mich weiterhin unter Kontrolle behalte und ich wollte meinem Sohn vor mir
selber schützen. Auch hatte ich schon zwei Monate zuvor bei einem
Kinderpsychiater angerufen. Dort stand ich auf der Warteliste. Als die Dame vom
Jugendamt hörte, dass ich bereits auf der Warteliste stehe, sagte sie nur „dann
sind sie in guten Händen, wird schon alles werden“. Das war es. Was wird denn
werden? Schalten die sich erst ein, wenn man sich nicht mehr unter Kontrolle
hat und sein Kind totgeschlagen hat? Ich begriff die Welt nicht mehr. Diese
ganzen Vorfälle fanden immer nur zuhause statt. Gingen wir irgendwo mit unserem
Sohn hin, war er das liebste Kind. Er saß auf unserem Schoß bzw. daneben, sagte
nichts, schrie nicht, kuschelte sich immer bei uns an, so das wir diese Zeit mit
unserem Sohn genossen. Es passierte auch oft, das er plötzlich anfing zu
fiebern oder zu zittern, wenn wir wieder irgendwo fremd waren. Dann musste ich
kurze Zeit später immer mit ihm nach Hause. Dies beunruhigte mich aber weniger,
da ich das von mir als Kind ja auch kannte. Die Leute sahen also immer nur
einen ganz lieben und ruhigen Jungen, wenn wir irgendwo waren, unseren
Erzählungen, dass er zuhause der Teufel in Person ist, glaubte uns niemand.
Kurz nach seinem 3. Geburtstag kam er dann in den Kindergarten. Mir
graute davor. Ich sah ihn schon förmlich an mir kleben und hörte sein Geschrei,
wenn ich den KiGa verlasse. Aber nichts von dem traf ein. Er lies alles über
sich ergehen, wie mit einer Puppe. Ich konnte gehen, ohne dass er auch nur eine
Regung zeigte. Im Kindergarten sprach er nicht. Er spielte dort für sich, malte
oder puzzelte. Wenn ich ihn abholte, spielte er oder saß irgendwo. Die Erzieher
trösteten mich, da er noch relativ jung sei und alles andere würde mit der Zeit
schon kommen. Aber es kam nichts. Nur, wenn ich ihn abholte und die
Kindergartentür hinter uns zu ging, platzte plötzlich alles aus ihm raus. Er
bekam einen Tobsuchtanfall. Man konnte die Uhr nach stellen, immer beim
Abholen. Dieser hielt meist an, bis wir zuhause waren. Manchmal kam dann auch
schon wieder der Nächste. Ich glaubte, es läge an mir. Scheinbar fühlte er sich
im KiGa wohl, aber nicht zuhause.
Dann stand die Vorschuluntersuchung im KiGa für die Vierjährigen an.
Unser Sohn verweigerte auch diese Untersuchung. Die Amtsärztin bat um ein
Gespräch und glaubte an Angstzuständen. Nach meinen ganzen Schilderungen meinte
sie, es wäre gut, wenn ich einen Psychiater aufsuchen würde. Zumindest glaubte
sie meinen Schilderungen. Dafür war ich ihr schon einmal dankbar. Kurze Zeit
später erhielt ich dann einen Anruf vom KJP. Endlich hatte ich einen Termin und
dieser dauerte auch nur noch eine Woche. Ich glaubte mich am Ziel, aber es
sollte noch schlimmer kommen.
Zum ersten Termin sollte ich mein Kind mitbringen. Eigentlich wollte ich
gerne erst einmal ein Gespräch unter vier Augen führen, aber das wurde
abgelehnt. Also fuhr ich mit Kind zum KJP. Ich musste ein Formular ausfüllen
und anschließend wollten sie meinen Sohn messen und wiegen. Er verweigerte.
Zwei Arzthelferinnen schnappten ihn und stellten ihn auf die Waage. Er wehrte
sich und sprang sofort wieder runter. Ich nahm ihn auf den Arm. Im
Besprechungszimmer verkroch er sich sofort unter den Tisch. Der Arzt flösste
mir irgendwie ein mulmiges Gefühl ein, ich schob es auf meine Nervösität. Mein
Kleiner störte das Gespräch, wie er es immer macht, wenn er mitbekommt, das ich
über ihn spreche. Er trat gegen den Tisch und den Stuhlbeinen. Der Psychiater
zog ihn unter dem Tisch hervor und setzte ihn mit einem Hau-Ruck auf einen
Stuhl, hielt ihn an den Armen fest und sagte: „Hier bleibst du jetzt sitzen!“
Die Art fand ich so was von daneben. Als eine weitere Unterhaltung aufgrund der
Störungen von meinem Sohn nicht möglich war, beendete der Psychiater die Besprechung,
übergab mir sehr viele Fragebögen und gab mir Termine zur Diagnostik. Ich
verlies die Praxis und musste erst einmal tief durchatmen. Ich fühlte mich
nicht wohl, aber da musste ich jetzt durch. Zum ersten Diagnostiktermin brachte
ich die ausgefüllten Fragebögen wieder mit. Nach 10 min. wurde der
Diagnostiktermin abgebrochen aufgrund Verweigerung meines Kindes. Ich erhielt
einen neuen Termin zur Besprechung (allein). Als ich zwei Tage später wieder
die Praxis betrat und ich zum Psychiater gebracht wurde, teilte er mir
folgendes mit: „Eine Diagnostik ist unmöglich, ihr Sohn verweigert alles (nach
10 min.!). Nach Auswertung der Fragebögen komme ich zu dem Resultat, das ihr Sohn an einer angeborenen Kindheitsdepression leidet. Zur weiteren Diagnostik gebe
ich ihnen eine Überweisung in die KJP…… zur vollstationären Aufnahme“. Ich war
empört. Ich nahm die Überweisung, zerriss diese vor den Augen des Arztes und
sagte nur: „Mich sehen sie hier nicht wieder“. Damit verließ ich die Praxis,
bereits mit total verweinten Augen. Wer sollte mir jetzt noch helfen?
Mein Kampf begann. Der Kampf um meinen Sohn. Der Kampf meines Lebens. Ich
war noch nie eine Kämpferin, dazu bin ich nicht geboren. War ich doch immer der
stille, zurückhaltene Typ, der kaum den Mund aufmachte und alles immer nur
schluckte. Nun sollte sich alles ändern….für meinen Sohn….für meine Familie.
Alles
weitere später im nächsten Post „Unser Weg zur Diagnose“.