Sonntag, 7. April 2013

Gefühlsschwankungen



Es gibt Tage, an denen Wünsche ich mir, einfach in den Arm genommen zu werden. Aber ich bin nicht in der Lage, meinem Mann zu sagen, „nimm mich bitte mal in den Arm und halt mich fest“. Diese Umarmungen wären mir nicht unangenehm, aber die Angst, das er fragen könnte, warum ich gerade jetzt in den Arm benommen werden möchte, diese Frage macht mir Angst, weil ich in diesem Moment keine Antwort darauf hätte. Also spreche ich es nicht aus und warte auf den Moment, wenn ihm danach ist. Zum Glück kennt er mich gut genug und weiß, das er dies nicht einfach so spontan machen kann/darf. Überraschende und völlig unvorbereitete Umarmungen lösen in mir eine Art Panik aus. Ich kann es nicht anders beschreiben. Das ist auch ein Grund, warum ich meine Umarmungen bei meinem autistischen Sohn immer vorher ankündige. Darin sind wir uns sehr ähnlich. Er lässt eine Umarmung meinerseits schon sehr oft zu, aber ansonsten darf ihn niemand umarmen.

Wenn wir früher Besuch bekommen haben und man mich zur Begrüßung umarmen wollte, empfand ich dieses jedes Mal als sehr unangenehm. Aber da es alle machten, versuchte ich diese kurzen Momente zu überstehen. Heute ist es so, dass viele in unserem Freundes- und Bekanntenkreis wissen, dass ich diese Art von herzlicher Begrüßung/Verabschiedung nicht unbedingt mag und sie respektieren es auch. Dennoch gibt es gewisse Menschen, bei denen ist mir diese Art von Begrüßung/Verabschiedung überhaupt nicht unangenehm. Da gehe ich auf schon von allein drauf zu und begrüße sie mit einer herzlichen Umarmung. Nicht, das mir einige von ihnen vielleicht weniger und die anderen mehr sympatisch sind, es ist in diesem Moment auch für mich ein inneres Bedürfnis zu zeigen, das ich mich freue, diese Menschen zu sehen. In diesen seltenen Momenten kann ich meine Gefühle ganz offen zeigen, sie sind ehrlich und kommen von Herzen. Warum ich da so Unterschiede machen, kann ich nicht sagen, da ich unsere wenigen Freunde total gerne mag und dennoch gibt es diese, bei denen ich es nicht wirklich kann und die anderen, bei denen es mir überhaupt nicht schwer fällt.

Als Kind hatte ich auch diese Gefühlswankungen, wenn ich nicht wusste, wie ich mich zu verhalten hatte. Zum Beispiel an meinen Geburtstagen oder zu Weihnachten, wenn es Geschenke gab. Zum Glück gab es früher bei uns nicht so viel, somit blieb es mir erspart, viele Geschenke auszupacken. Denn auch das machte mir irgendwie Angst, wusste ich doch nicht, was sich hinter diesem Geschenk verbirgt und ob ich mich nun wirklich freue oder man mir ansehen würde, das ich darüber vielleicht enttäuscht bin. Glücklich war ich an einem Weihnachten, ich war so ca. 5 Jahre alt, da bekam ich eine Puppenkarre und eine neue Puppe. Am meisten habe ich mich gefreut, dass diese Geschenke nicht eingepackt waren, sondern direkt vor dem Weihnachtsbaum standen. So musste ich nicht erst wieder lange an dem Papier zerren, um etwas auszupacken. Wirklich gespielt habe ich damit nicht, aber mir wurde die Angst vor einem nicht „sichtbaren“ Geschenk genommen.

Während meiner ersten Schwangerschaft hatte ich auch immer so merkwürdige Gedanken. Immer wieder fragte ich mich, wie es wohl sein würde, wenn das Kind erst einmal da ist. Würde ich es lieben können, so von ganzem Herzen oder ist da immer ein Teil in mir, das dieses Kind vielleicht auch ablehnt? Ich habe mich von dem Vater des Kindes im 5. Monat der Schwangerschaft getrennt und das aus einem Grund, wenn ich heute dran denke, muss ich herzhaft darüber lachen. Damals war mir nicht zum Lachen zu Mute. Die ersten Schwangerschaftswochen hatte ich dieses typische Unwohlsein und wenn dann mein damaliger Freund von der Arbeit nach Hause kam, musste ich mich sofort übergeben. Er arbeitete damals auf einem Stahlwerk und roch dermaßen nach Schwefel, dass mir richtig schlecht wurde. Ich habe es eine lange Zeit ertragen und dann ging es nicht mehr. Ich trennte mich von ihm mit den Worten:“ Ich kann dich einfach nicht mehr riechen“ – Ich habe dieses Sprichwort wörtlich genommen und muss heute immer noch lachen. Denn es waren ja eigentlich nur meine Schwangerschaftshormone, die da übel mitgespielt haben, aber ich wusste in diesem Moment, was man immer damit meinte, wenn jemand sagte „ich kann nicht riechen“ J Natürlich war ich nie wirklich traurig über meinen Entschluss dieser Trennung, aber dieser Trennungsgrund – ich könnte schon wieder anfangen zu lachen.

Als man mir kurz nach der Entbindung meinen Sohn in den Arm legte, waren diese Gedanken wieder da. Kann ich dieses Kind lieben? Er lag in meinem Arm und schlief ganz seelig und ich wusste nicht, ob dies nun mein Glück oder mein Unglück war. Aber es dauerte gar nicht lange, da kannte ich die Antwort und schämte mich schon wieder über meine düsteren Gedanken. Nachdem man mir das Kind dann zum ersten Mal zum anlegen an die Brust legte, überkam mich sofort ein sehr glückliches und stolzes Muttergefühl. Mir liefen einfach nur so die Tränen, da ich dieses Glück kaum fassen konnte. In diesem Moment wusste ich, das ich dieses Kind lieben würde, mehr als alles andere auf der Welt und so ist es bis heute geblieben.

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