Mit
Veränderungen liege ich arg im Zwiespalt, ganz schlimm, wenn sie nicht geplant
sind und ganz plötzlich aus dem Nichts auftauchen.
Schon ein
Klingeln an der Haustür löst in mir leichtes Herzrasen aus, wenn ich keinen
planmäßigen Besuch erwarte. Kurz nachdem wir in unser Haus gezogen sind und ich
eh schon so mit diesen vielen neuen Veränderungen zu kämpfen hatten, konnte ich
mich weder von heut auf morgen an diesen Klingelton gewöhnen, der sehr
schrillend war und sofort ins Ohr ging, noch hatte ich Probleme damit, das ich
nicht vor dem Öffnen der Haustür sehen konnte, was oder wer mich dort
erwartete. Es ist ein kurzer schmaler Vorflur zur Hauseingangstür und das
Fenster mit Sicht auf die Haustür befand sich erst im Hauptflur. Da wir hier
eine noch sehr alte und inzwischen auch undichte Haustür ohne Sichtfenster
hatten, war dies einer meiner ersten positiven Veränderungen am Haus. Bei der
Auswahl habe ich es mir nicht unbedingt leicht gemacht. Es musste eine Tür
sein, die mir einen Ausblick ermöglichte, aber wollte ich auf keinen Fall, das
der Besuch einen Einblick hatte. Wahrscheinlich würde ich mich sonst wieder
total beobachtet fühlen. Schlussendlich entschied ich mich für eine Tür mit
mehreren kleinen Sprossenfenstern im oberen Bereich der Tür. Die
Sprossenfenster mussten Milchglas haben, so dass ich wenigstens die Konturen
der Personen, die mich beim Öffnen der Tür erwarteten, schon einmal etwas
einordnen konnte. Diese Tür bietet mir nun in meinem Zuhause schon eine gewisse
Art von Sicherheit.
Veränderungen
spielen in meinem Leben eine große Rolle. Ich komme zwar inzwischen wesentlich
besser mit Veränderungen klar als früher, aber sie lösen in mir immer noch eine
leichte Panik aus. Ich benötige eine gewisse Routine in meinem Leben und schon
allein, wenn diese Routine etwas aus der Bahn rutscht, verliere ich leicht die
Kontrolle über meinen Tagesablauf. Ich finde zwar meistens den Faden wieder und
kann dann dort weiter machen, wo ich aufgehört habe, aber mir fehlt dann immer die
Sicherheit, ob der weitere Ablauf ohne Probleme/Störungen/Unvorhersehbares
weiterlaufen kann. Morgens nach dem Aufstehen brauche ich erst einmal eine Zeit
nur für mich zum Ordnen meiner Gedanken, in dieser Zeit bin ich einfach nicht
ansprechbar. Ich brauche einfach meine Ruhe, um ungestört einen Kaffee zu trinken
und die Tageszeitung zu lesen. Wenn ich in dieser Zeit gestört werde, z. B.
weil mein jüngster Sohn meint, er müsse aufstehen, bevor ich ihn wecke oder
unser ältester Sohn noch nicht durch ist in der Küche mit Frühstück, fange ich
schon an, nervös im Flur auf und ab zu laufen, bis ich meinen Kaffee habe und
damit vor der Zeitung sitze. Mein ältester Sohn steht in der Woche immer gut 30
min. vor mir auf und ist dann schon fertig in der Küche, wenn ich aufstehe.
Aber es kommt auch vor, das sich unsere Zeiten überschneiden, wenn er der
Meinung ist, nicht sofort nach dem Klingeln seines Weckers aufstehen zu müssen,
so sitzt er noch am Tisch, wenn ich reinkomme und ich fühle mich sofort in
meiner Ruhe gestört. Bei meinem jüngsten Sohn ist es ähnlich, er steht in der
Woche erst auf, wenn ich ihn wecke, aber es kommt auch mal vor, dann kann er
nicht mehr im Bett liegen und kommt halt schon runter. Da er morgens aber auch
seine Ruhe braucht und keine Hektik, geht er dann ins Wohnzimmer und ich kann
meine Zeit in der Küche allein verbringen, nachdem ich ihn schnell mit dem
gröbsten „abgefertigt“ habe. Wenn ich meine morgendliche Auszeit hatte, kümmere
ich mich um unseren Kleinen, damit er pünktlich zur Schule kommt. Aber dies
geht nur vernünftig, wenn ich meine Ruhe einhalten konnte. Da dieser noch sehr viel Hilfestellung beim
Waschen, anziehen, etc. benötigt, müssen wir morgens immer versuchen, unsere
vorgegebenen Zeiten einzuhalten, ansonsten können wir beide auch sehr gut
aneinander geraten. So ist das wohl, wenn zwei Menschen mit eigenen Routinen
und Ritualen aufeinander prasseln.
Veränderungen
lösen aber nicht immer die gleichen Reaktionen bei mir aus. Es kommt immer auf
meine Tagesform an und vor allem auf die Art und Weise der Veränderung. Gehe
ich einkaufen und in dem Einkaufsladen wurde gerade wieder mal umgeräumt und
ich kann nicht der Reihe nach meinen Einkaufszettel abhaken, so kommt es schon
mal vor, das ich auf der Suche nach einem bestimmten Artikel von meiner Liste
den Rest einfach vergesse und nur mit einem halben Einkauf wieder nach Hause
komme. Schon allein ein neues Etikett auf einem Artikel löst eine Art von
Unsicherheit in mir aus und ich bin nicht sicher, ob es noch der gleiche Inhalt
bzw. der gleiche Artikel ist, den ich eigentlich einkaufen wollte. So ist es
mir letztens erst wieder ergangen, als ich Apfelsaft im Tetra-Pack einkaufen
wollte. Zwar stand der Apfelsaft genau dort, wo er immer steht, aber sah er
farblich komplett anders aus. Ich schaute mir das Tetra-Pack komplett an,
konnte mich aber nicht dazu hinreißen lassen, diesen Apfelsaft nun auch zu
kaufen. So schickte ich anschließend meinen Mann noch einmal los, damit er eine
Palette Apfelsaft einkauft. Nun haben wir den „neuen“ alten Apfelsaft zuhause
und ich kann mich langsam an das neue Aussehen gewöhnen. Obwohl ich gar keinen
Apfelsaft trinke und der Inhalt bzw. der Geschmack mir von daher total egal
sein könnte, so hat mich dies alles total verunsichert. Es sind halt schon die
kleinen Veränderungen im Leben, die mich unsicher machen.
Meistens
spielt mein Körper bei Veränderungen verrückt. Mal sind es Schweißausbrüche,
die ganz plötzlich auftauchen, mal arge Magenkrämpfe. Auch war ich früher sehr
schnell reizbar, hätte in die Luft gehen können – was auch manchmal passiert
ist – nur allein schon, wenn mein Mann mir früh morgens, wenn er von der
Nachtschicht heimkam und ich noch nicht wirklich mit meinen bis dahin geplanten
Abläufen fertig war, eine „Kante ans Bein labern“ wollte. Dann bekam ich
oftmals zu hören „Ich sei ein Morgenmuffel“ oder „Immer diese schlechte Laune“.
Zum Glück ist das nun nicht mehr der Fall. Zum einen habe ich meine
morgendliche „Muffelei“ gut unter Kontrolle, seitdem ich weiß, dass es an
meinen gestörten routinerten Abläufen liegt, weshalb ich so gereizt bin und zum
anderen, das mein Mann verstanden hat, das ich unserem Sohn sehr ähnlich bin
und er auch viel dazu gelernt hat, uns einfach so zu nehmen wie wir sind. Heute
nehme ich mir einfach eine Auszeit zum Nachdenken, wenn ich weiß, dass wieder
eine Veränderung ansteht. Ich versuche die mir bekannten Veränderungen schon
weit im Voraus zu planen und durchchecken, d.h. es gibt manchmal Plan A, Plan
B, Plan C. Natürlich klappt dies nicht immer, aber es ist inzwischen meine Art,
Veränderungen im Vorfeld zu verarbeiten.
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