Samstag, 31. August 2013

Das Mutter-Sohn-Gespräch



Lange habe ich dieses Gespräch mit meinem Sohn vor mir her geschoben und nun war es endlich soweit. Wie es dazu gekommen ist, könnt ihr gerne in meinem vorherigen Post nachlesen.

Wie versprochen kam mein Sohn auf mich zu, damit ich mit ihm die gewünschte Aussprache führen konnte. Ich war sehr nervös, aber dennoch einigermaßen gefasst und wusste auch sofort, wo ich mit meinem so wichtigen Gespräch beginnen sollte. Dies kommt ja selten vor, aber noch nie habe ich mich so lange und intensiv auf ein Gespräch vorbereitet. Ich schilderte ihm also den Verdacht auf Autismus bei mir und berichtete ihm weiterhin, dass ich bereits mitten in der Diagnostik stecke. Dies musste bei ihm erst einmal etwas sacken, aber nachdem ich ihm dann einige Beispiele aufgeführt habe, wieso weshalb warum ich den Verdacht habe und das mein Verhalten bei dem Ergebnis seiner Abschlussprüfung für mich der ausschlaggebende Grund war, warum ich mich in die Diagnostik begeben habe, fand er schnell zu sich zurück und teilte mir auch prompt mit, das dieses Verhalten von mir ihn überhaupt nicht gewundert oder erstaunt hat. Kennt er mich doch nicht anders. Ich habe mir also in Bezug auf die fehlenden und ihm nicht gezeigten Gefühle viel zu viel Gedanken gemacht. Aber gut, das es nun ausgesprochen war. Wir führten ein sehr langes Gespräch und es war für mich eine neue Erkenntnis, so offen über alles mit ihm zu reden. Im Laufe dieser Unterhaltung fielen ihm dann auch plötzlich einige Dinge an mir auf, die normalerweise für ihn überhaupt nicht der Rede wert gewesen wären, da er es nie anders kannte, aber nun ergaben diese Verhaltensmuster von mir einen Sinn. So kamen Dinge zum Vorschein, die ich noch nicht einmal bemerkt habe, weil sie für mich wiederum selbstverständlich sind, aber scheinbar nicht „normal“.
Als erstes meinte er, ich kaufe immer die gleichen Produkte ein. Nur wenn mein Mann mit zum einkaufen kommt oder mein Sohn etwas auf die Einkaufsliste schreibt, dann kommen auch mal andere Dinge ins Haus. Das ist mir noch nie aufgefallen, ist aber wirklich so. Ich traue mir einfach nicht, neue unbekannte Produkte mitzubringen, wenn ich nicht weiß, ob sie auch gegessen werden. Also wird von mir nur das bekannte Produkt gekauft. So kommt es halt vor, dass ich eine Salami-Pizza nur von einem bestimmten Hersteller kaufe, ist diese nicht vorrätig, wird keine gekauft. Die Peperoni- oder Mozarella-Pizza gibt es dann nur von einem anderen Hersteller. Mein Sohn suchte sich diese Produkte mal beim Einkaufen aus und so habe ich diese dann halt immer wieder gekauft, die gleiche Pizza von einem anderen Hersteller kam für mich nie in Frage. Dies nun als ein Beispiel, das mein Sohn mir aufzählte.

Weiterhin ist es die Sache mit meinen Gewohnheiten, auf die ich bestehe, aber kein anderer aus der Familie. Mein Sohn hat sich mal bei einer McDonalds-Aktion ein Coca-Cola-Glas mitgebracht. Also war dies sein Glas und er trinkt auch daraus (meine Gedankenweise!). Nimmt sich nun mein Mann genau dieses Glas aus dem Schrank, dann schreite ich sofort ein und bitte ihn darum, ein anderes Glas zu nehmen, da aus diesem Glas ja unser Sohn immer trinkt. Mein Mann hat dies nie verstanden und mein Sohn irgendwie auch nicht – kicher – mir war oder ist es aber wichtig, das es respektiert wird, das bestimmte Gläser oder Tassen auch nur von bestimmten Leuten benutzt wird. So halte ich es auch mit meinen Kaffeepötten in der Küche. Habe ich mal Besuch und gebe diesem Gast eine Tasse, so erhält er diese Tasse auch beim nächsten Besuch wieder und ist diese gerade nicht sauber, dann wasche ich sie schnell ab, anstatt eine andere saubere Tasse aus dem Schrank herauszuholen. Dinge, die meinem Sohn an mir aufgefallen sind, aber bei denen er sich nie wirklich etwas gedacht hat, kennt er mich ja nicht anders.

Auch zu meiner nicht vorhandenen Spontanität ist ihm dann noch einiges eingefallen.
Letztendlich war dieses Gespräch für beide Seiten sehr aufschlussreich mit ganz neuen Erkenntnissen und Sichtweiten. Mein Sohn hat mir wieder Dinge an mir aufgezeigt, die mir selbst nie so extrem aufgefallen sind. Seit diesem Gespräch kommt er nun auch häufiger mal zu mir, meistens, wenn ihm wieder etwas aufgefallen ist, was nicht wirklich typisch ist, aber für ihn inzwischen zu meiner Art dazugehört. Ich finde es wirklich interessant, mich nun auch aus der Sicht meines Sohnes kennen zu lernen.

Ganz interessant fand ich dann noch den Vorschlag, den er mir machte. Da ich ja für meinen jüngsten Sohn anfangs einen Tagesplan aufgestellt hatte, machte mein Großer mir nun den Vorschlag, das ich dieses auch einmal bei mir ausprobieren sollte und das ich vielleicht mal weniger versuchen sollte, es immer anderen und auch der Familie Recht zu machen, sondern das ich in erster Linie nun einmal versuchen sollte, mein Level durchzuziehen und die Familie sich auch einmal ein wenig nach meinen Bedürfnissen richten sollte. Er für sich möchte dies nun in Zukunft wesentlich intensiver machen und mich mehr in sein Leben mit einbeziehen, soweit ich dies zulassen kann.


Dieses Gespräch hat so viel Neues in mir ausgelöst. Es war so befreiend und erleichternd und dieses Glücksgefühl konnte ich ihm am Ende des Gespräches sogar mitteilen.  Welch ein Erfolg in jeder Hinsicht. 

Dienstag, 27. August 2013

Meine Vorbereitung für eine wichtige Aussprache


Es ist schon seltsam, wie sich Dinge plötzlich in einem verändern, obwohl sich gar nichts geändert hat.  Nur ein langes und intensives Gespräch und schon sieht alles ganz anders aus. Eigentlich nicht anders, aber vieles wird mir gerade wesentlich bewusster und diese Erkenntnis habe ich wieder mal meinem Sohn zu verdanken. Aber diesmal schreibe ich nicht von meinem kleinen Aspie, nein, diesmal geht es um meinen ältesten Sohn.
Ich habe nie mit ihm über meinen Verdacht gesprochen, wir haben eigentlich nie viel miteinander gesprochen. Es ging meistens nur um wesentliche Dinge, die einfach besprochen oder gesagt werden mussten, aber Smalltalk gab es zwischen uns wenig. Unsere Gespräche hatten immer bestimmte Themen und ich habe eigentlich immer geglaubt, wir verstehen uns auch ohne viele Worte super gut. Ja, wir verstehen uns wirklich super gut, das hat mir dieses besagte Gespräch nun auch wieder aufgezeigt. Ich bin gerade mächtig stolz auf meinen Sohn, in diesem Moment sogar super stolz auf meine beiden Söhne, da bei uns gerade viele neue Veränderungen eingetreten sind, die jeder für sich und auf seine Art super gemeistert hat. Aber nun fange ich mal von vorne an, also mit dem Zeitpunkt, warum es zu diesem Gespräch mit meinem Sohn gekommen ist/kommen musste.

Es begann mit der bestandenen Prüfung meines Sohnes.  Freudestrahlend kam er nach Hause und teile mir sofort seine Prüfungsnote (2,0) und zeigte mir seine Urkunde, auf der nun schwarz auf weiß stand, welchen Titel er ab sofort tragen darf. Mein Gott, ich bin geplatzt vor stolz und mein Herz raste wie verrückt, innerlich. Rein äußerlich zeigte ich keinerlei Regung, keine Umarmung, einfach keine Emotionen, nur den einfachen und trockenen Satz: „Ich gratuliere dir“. Nachdem mein Sohn das Zimmer verlassen hatte, wurde mir ganz plötzlich bewusst, was ich da gerade angerichtet habe. Mir liefen sofort die Tränen, aber ich konnte es nicht ändern. Hinterher gehen und ihn noch einmal in den Arm nehmen und gratulieren? Nein, ich kann das nicht. Aber er ist mein Sohn, warum fällt mir das so schwer? Früher als Kind habe ich ihn doch auch immer in den Arm genommen, habe mit ihm gekuschelt. Ich war so verzweifelt und hilflos in diesem Moment, aber ich konnte es einfach nicht ändern. Gedanklich habe ich mir immer wieder neue Anläufe gesucht, damit er weiß, wie stolz ich auf ihn bin, wie sehr ich ihn liebe. Aber ich konnte es ihm nicht mitteilen und das schmerzte in diesem Moment so ungemein. Ich versuchte es dann mit Schreiben. Ich glaubte, wenn ich ihm einen Brief schreibe und ihm meine Gefühle darin mitteile, dann wird er mich vielleicht verstehen. Aber auch das klappte nicht, obwohl ich ja viel lieber und besser schreiben kann, als reden. Aber meinem Sohn einen Brief schreiben? Ist das nicht etwas zu fremd?
Mittags kam dann mein Mann von der Arbeit nach Hause und ich erzählte ihm ganz stolz von dem Prüfungsergebnis. In diesem Moment kam auch mein Sohn in den Raum und mein Mann ging sofort auf ihn los und umarmte ihn überschwänglich und sehr herzlich. Da liefen mir wieder die Tränen. Warum können die beiden sich so herzlich in den Arm nehmen, wo mein Mann nicht einmal sein leiblicher Vater ist und ich als Mutter stehe so neben der Spur und kann meine Gefühle meinem Kind gegenüber nicht so zeigen, wie ich sie innerlich spüre. In mir drin brach eine Welt zusammen und ich wusste nicht, wie ich dies ändern kann. Es musste ein Gespräch her und zwar sehr schnell, dessen war ich mir bewusst. Ich musste ihm von meinem Verdacht erzählen, bevor mein Anders sein und unsere Bindung komplett zerstört.
Tagelang ließen mich diese Gedanken nicht mehr los. Wie beginne ich dieses Gespräch? Aus dem tagelang wurde ein wochenlang.
Dann kam der Moment, in dem mein Sohn mir mitteilte, dass er mit dem Gedanken spielt, auszuziehen. Panik kam in mir hoch. Nicht, weil er ausziehen möchte, denn das Alter dazu hat er ja schließlich mit seinen derzeit 23 Jahren. Nein, die Panik in mir hatte andere Ursachen. Wenn er jetzt auszieht und ich nicht mit ihm gesprochen habe, dann ist alles vorbei. Er weiß ja nicht, dass ich ihn nicht anrufen kann und dass ich nie unangemeldet bei jemanden vor der Tür stehe. Mein Sohn wiederum ist ein sehr spontaner junger Mann und würde nie auf die Idee kommen, mich mal einzuladen in seine neue Wohnung bzw. telefonisch melden, das sind für ihn selbstverständliche Dinge. Ich würde ihn die erste Zeit nur sehen, wenn er seine Wäsche vorbei bringt zum waschen, bis er eine eigene Waschmaschine hat. Gedankenchaos pur. Mit jedem anderen konnte ich inzwischen über meine Gedanken und meine Ängste zu diesem Thema sprechen, aber nicht mit meinem Sohn.
Ich musste handeln, nur wie?
Seit Anfang August befinde ich mich nun selbst in der Diagnostik und seitdem hat sich vieles bei mir verändert. Ich entwickle plötzlich einen nie gekannten Ehrgeiz, Dinge zu bewältigen, die mir bisher große Schwierigkeiten bereitet haben.
Ich habe ja in meinem vorherigen Post über das Thema „Über den eigenen Schatten springen…“ geschrieben und dieses Gespräch gehörte nun auch zu einem meiner wichtigsten Übungen. Ich setzte mich also nun damit selbst unter Druck, dass es zu einer meiner Aufgaben gehört, dieses Gespräch unverzüglich zu suchen.  Fünf Tage hatte ich mir zur Frist gesetzt, dann musste ich meinen Sohn um ein Gespräch bitten. Ich war in dieser Zeit kaum aufnahmefähig und zu nichts zu gebrauchen, aber meine „Aufgaben“ wollte ich pflichtbewusst abhaken können. Dies wird nun wahrscheinlich kein NT verstehen, aber  für mich eine sehr große Herausforderung, der ich am liebsten aus dem Weg gegangen wäre. Am dritten Tag meiner mir gesetzten Frist nahm ich den gefühlten 1.000sten Anlauf und es hat geklappt. Mein Sohn saß morgens gerade am Frühstückstisch und die Gelegenheit war günstig, da sonst niemand aus der Familie weiter anwesend war. Ich frage in meiner gewohnten kurzen und knappen Art, ob er in den nächsten Tagen mal etwas Zeit für ein Gespräch hat. Natürlich fragte er sofort, um was es geht. Aber ich habe mich auf diese Frage lange genug vorbereitet und so konnte ich ihm wieder kurz und knapp eine Antwort geben, ohne auch nur ansatzweise auf den genauen Gesprächs-Punkt zu kommen. Da er kurze Zeit später zum Fußball musste, sagte er mir zu, dass er anschließend Zeit für mich hat und wir dann reden könnten. Natürlich war die Zeit dazwischen für mich sehr nervenaufreibend, da es bis zum frühen Abend noch dauern sollte, bis dieses für mich wichtige Gespräch nun endlich stattfinden sollte, aber der Anfang war getan und ich bin wieder einen Schritt weiter.
Im nächsten Post schreibe dann über MEIN Gespräch und den neuen Erkenntnissen.


Samstag, 24. August 2013

Über den eigenen Schatten springen…



…ist ja leichter gesagt, als getan.
Als Kind habe ich dies ja oft versucht, doch ich habe auch sehr schnell bemerkt, dass ich nie über meinen Schatten springen kann. Auch konnte ich nicht schneller sein, als mein Schatten (das schafft wohl auch nur Lucky Luke) J . Dennoch habe ich dies oft versucht, meistens, wenn die Sonne so ungünstig stand und mein Schattenbild immer vor mir ging. Das fand ich schon sehr nervig. Etwas später habe ich dann mitbekommen, was es heißt, wenn jemand über seinen Schatten springt und genau dies versuche ich jetzt gerade.

Meine Schattensprünge sind gerade Aufgaben, die ich mir selber setze. Aufgaben, die mir nicht leicht fallen, aber ich weiß, das ich sie schaffen kann/werde. Ich schreibe mir gerade einige Aufgaben auf, die ich in gewissen Abständen immer wiederholen möchte/will/muss, sobald ich mit dem Vorhaben einer Aufgabe begonnen habe.
Einige meiner Aufgaben bestehen darin, das ich nun regelmäßig (zur zeit einmal die Woche) ein Telefonat führe. Ich telefoniere ja relativ häufig und lange, aber ich werde immer angerufen, da mir das Telefonieren (wie bereits in einen früheren Post geschrieben) Schwierigkeiten bereitet.  Nun besteht die Aufgabe darin, dass ich anrufen MUSS! Vor zwei Wochen habe ich damit angefangen. Ich habe mir erst einmal relativ einfache Gesprächspartner ausgewählt. Einfach im Sinne von „eingeweihte“ Gesprächspartner. So wurde mein erstes „Anrufopfer“ meine Cousine. Nach dem dritten Klingelzeichen wollte ich schon wieder auflegen, da ich eigentlich gar keinen Grund hatte zum anrufen, es war ja für mich nur eine Übung, aber ich hielt tapfer durch, bis sich am anderen Ende jemand meldete. Während ich das Freizeichen hörte, machte ich mir schon wieder Gedanken, was ich sagen könnte, wenn jetzt ihr Mann oder einer ihrer Söhne ans Telefon geht. Zum Glück war auch gleich meine Cousine dran. Somit hatte ich meine erste Aufgabe erfüllt und diese muss ich nun einmal wöchentlich wiederholen. Allerdings immer mit anderen Gesprächspartnern. In dieser Woche habe ich sogar schon zwei Telefonate geführt, für die ich wieder etwas Vorbereitungszeit benötigte, aber sie gehörten dennoch zu meinem „Training“ mit dazu. Diese Aufgabe werde ich noch einige Zeit weiter so laufen lassen und mal schauen, ob es mir eines Tages vielleicht einfacher fällt, ein Telefonat zu führen oder ob es für immer eine für mich schwierige Situation bleibt.

Meine zweite Aufgabe ist es, alte „Freundschaften“ aufzufrischen. Ich hatte ja während der vergangenen Jahre immer eine Freundin an meiner Seite. Mal war es für eine lange Zeit meine Schulfreundin, dann eine sehr gute Arbeitskollegin. Aber es war halt immer zeitlich begrenzt, wenn auch über einen sehr langen Zeitraum, aber dennoch blieben diese Freundschaften irgendwann aus. Ich habe mir immer Gedanken gemacht, was ich wohl falsch gemacht habe bzw. warum sie sich plötzlich nicht mehr melden. Aber inzwischen weiß ich ja die Antwort. SIE meldeten sich immer bei mir und irgendwann war es ihnen wahrscheinlich zu „blöd“, da ich nie angerufen habe oder spontan bei ihnen vor der Tür stand. Ich habe in all den Jahren nie eine Freundschaft wirklich gepflegt, obwohl mir diese Freundschaften immer wichtig waren. Dies ist mir aber nie bewusst gewesen. Nun habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diese Kontakte wieder herzustellen. Wir haben uns ja nie im Streit getrennt, sondern stillschweigend von einander entfernt. Den Anfang werde ich mit meiner ehemaligen besten Schulfreundin machen. Die ersten Kontakte sind bereits schriftlich geknüpft (dank Facebook) und wir wollen uns demnächst auch einmal treffen. Ich werde bei diesem Treffen auch offen über meine Schwierigkeiten sprechen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, denn nun kenne ich ja mein Problem und kann demzufolge auch offen darüber reden.

Diese beiden Aufgaben werde ich nun bis Ende des Jahres zum Ziel haben und hoffentlich positiv abschließen können. Es ist für mich ein großer Schattensprung und vielleicht werde ich ja ein kleiner Lucky Luke und kann in Zukunft schneller und häufiger „über meinen Schatten“ springen.