Lange habe
ich dieses Gespräch mit meinem Sohn vor mir her geschoben und nun war es
endlich soweit. Wie es dazu gekommen ist, könnt ihr gerne in meinem vorherigen
Post nachlesen.
Wie
versprochen kam mein Sohn auf mich zu, damit ich mit ihm die gewünschte
Aussprache führen konnte. Ich war sehr nervös, aber dennoch einigermaßen
gefasst und wusste auch sofort, wo ich mit meinem so wichtigen Gespräch
beginnen sollte. Dies kommt ja selten vor, aber noch nie habe ich mich so lange
und intensiv auf ein Gespräch vorbereitet. Ich schilderte ihm also den Verdacht
auf Autismus bei mir und berichtete ihm weiterhin, dass ich bereits mitten in
der Diagnostik stecke. Dies musste bei ihm erst einmal etwas sacken, aber
nachdem ich ihm dann einige Beispiele aufgeführt habe, wieso weshalb warum ich
den Verdacht habe und das mein Verhalten bei dem Ergebnis seiner
Abschlussprüfung für mich der ausschlaggebende Grund war, warum ich mich in die
Diagnostik begeben habe, fand er schnell zu sich zurück und teilte mir auch
prompt mit, das dieses Verhalten von mir ihn überhaupt nicht gewundert oder
erstaunt hat. Kennt er mich doch nicht anders. Ich habe mir also in Bezug auf
die fehlenden und ihm nicht gezeigten Gefühle viel zu viel Gedanken gemacht.
Aber gut, das es nun ausgesprochen war. Wir führten ein sehr langes Gespräch
und es war für mich eine neue Erkenntnis, so offen über alles mit ihm zu reden.
Im Laufe dieser Unterhaltung fielen ihm dann auch plötzlich einige Dinge an mir
auf, die normalerweise für ihn überhaupt nicht der Rede wert gewesen wären, da
er es nie anders kannte, aber nun ergaben diese Verhaltensmuster von mir einen
Sinn. So kamen Dinge zum Vorschein, die ich noch nicht einmal bemerkt habe,
weil sie für mich wiederum selbstverständlich sind, aber scheinbar nicht
„normal“.
Als erstes
meinte er, ich kaufe immer die gleichen Produkte ein. Nur wenn mein Mann mit
zum einkaufen kommt oder mein Sohn etwas auf die Einkaufsliste schreibt, dann
kommen auch mal andere Dinge ins Haus. Das ist mir noch nie aufgefallen, ist
aber wirklich so. Ich traue mir einfach nicht, neue unbekannte Produkte
mitzubringen, wenn ich nicht weiß, ob sie auch gegessen werden. Also wird von
mir nur das bekannte Produkt gekauft. So kommt es halt vor, dass ich eine
Salami-Pizza nur von einem bestimmten Hersteller kaufe, ist diese nicht
vorrätig, wird keine gekauft. Die Peperoni- oder Mozarella-Pizza gibt es dann
nur von einem anderen Hersteller. Mein Sohn suchte sich diese Produkte mal beim
Einkaufen aus und so habe ich diese dann halt immer wieder gekauft, die gleiche
Pizza von einem anderen Hersteller kam für mich nie in Frage. Dies nun als ein
Beispiel, das mein Sohn mir aufzählte.
Weiterhin
ist es die Sache mit meinen Gewohnheiten, auf die ich bestehe, aber kein
anderer aus der Familie. Mein Sohn hat sich mal bei einer McDonalds-Aktion ein
Coca-Cola-Glas mitgebracht. Also war dies sein Glas und er trinkt auch daraus
(meine Gedankenweise!). Nimmt sich nun mein Mann genau dieses Glas aus dem
Schrank, dann schreite ich sofort ein und bitte ihn darum, ein anderes Glas zu
nehmen, da aus diesem Glas ja unser Sohn immer trinkt. Mein Mann hat dies nie
verstanden und mein Sohn irgendwie auch nicht – kicher – mir war oder ist es
aber wichtig, das es respektiert wird, das bestimmte Gläser oder Tassen auch
nur von bestimmten Leuten benutzt wird. So halte ich es auch mit meinen
Kaffeepötten in der Küche. Habe ich mal Besuch und gebe diesem Gast eine Tasse,
so erhält er diese Tasse auch beim nächsten Besuch wieder und ist diese gerade
nicht sauber, dann wasche ich sie schnell ab, anstatt eine andere saubere Tasse
aus dem Schrank herauszuholen. Dinge, die meinem Sohn an mir aufgefallen sind,
aber bei denen er sich nie wirklich etwas gedacht hat, kennt er mich ja nicht
anders.
Auch zu
meiner nicht vorhandenen Spontanität ist ihm dann noch einiges eingefallen.
Letztendlich
war dieses Gespräch für beide Seiten sehr aufschlussreich mit ganz neuen
Erkenntnissen und Sichtweiten. Mein Sohn hat mir wieder Dinge an mir
aufgezeigt, die mir selbst nie so extrem aufgefallen sind. Seit diesem Gespräch
kommt er nun auch häufiger mal zu mir, meistens, wenn ihm wieder etwas
aufgefallen ist, was nicht wirklich typisch ist, aber für ihn inzwischen zu
meiner Art dazugehört. Ich finde es wirklich interessant, mich nun auch aus der
Sicht meines Sohnes kennen zu lernen.
Ganz
interessant fand ich dann noch den Vorschlag, den er mir machte. Da ich ja für
meinen jüngsten Sohn anfangs einen Tagesplan aufgestellt hatte, machte mein
Großer mir nun den Vorschlag, das ich dieses auch einmal bei mir ausprobieren
sollte und das ich vielleicht mal weniger versuchen sollte, es immer anderen
und auch der Familie Recht zu machen, sondern das ich in erster Linie nun
einmal versuchen sollte, mein Level durchzuziehen und die Familie sich auch
einmal ein wenig nach meinen Bedürfnissen richten sollte. Er für sich möchte
dies nun in Zukunft wesentlich intensiver machen und mich mehr in sein Leben
mit einbeziehen, soweit ich dies zulassen kann.
Dieses
Gespräch hat so viel Neues in mir ausgelöst. Es war so befreiend und
erleichternd und dieses Glücksgefühl konnte ich ihm am Ende des Gespräches
sogar mitteilen. Welch ein Erfolg in
jeder Hinsicht.