Sonntag, 26. Januar 2014

Mein Alleingang

Es ist mir noch nie leicht gefallen zu einer Veranstaltung zu gehen. Im Vorfeld kommen immer wieder Fragen hoch, wie z.B.
- wie wichtig ist mir diese Veranstaltung, um überhaupt hinzugehen (auch wenn ich es gerne möchte)
- mit wem kann ich dort hingehen (allein schaffe ich es nicht)
- mit wie vielen Teilnehmern ist zu rechnen (hierbei kommt es immer auf die Umverteilung an, also ausreichend Platz für Personen zur passenden Raumgröße)
- wie sehen die Räumlichkeiten aus (falls ich diese nicht schon im Vorfeld kenne, was selten so ist)
- wie oder wo kann ich mich platzieren (möchte nie vorne sitzen oder aber dort, wo man ständig für andere Platz machen muss, damit sie durchkommen)

Das sind erst einmal die wichtigsten Fragen, die mir so durch den Kopf gehen. Viele Veranstaltungen kann ich aufgrund der Ungewissheit einfach nicht besuchen, was ich im Nachhinein immer wieder bedaure, aber ich schaffe es dann einfach nicht. Beim Sport sagt man ja immer, man muss seinen inneren „Schweinehund“ überwinden, dann schafft man es auch. Aber hier geht es nicht um den „Schweinehund“, sondern um mein anders sein, meine Wahrnehmung, mein ICH.
Nun habe ich mir aber seit meiner Diagnose fest vorgenommen, mir Dinge, die mir schwer fallen zu stellen. Dabei kommt es nun auch mal vor, dass es mir an dem gewissen Tag einfach nicht gut geht, es machen sich Magenschmerzen, Kopfweh und Übelkeit bemerkbar. Bisher war es dann so, das ich ja nun krank war und nicht hingehen konnte. Dies versuche ich nun einfach zu ignorieren und ich wage mich mit diesem Unwohlsein zu dieser Veranstaltung.
Erschwert kam nun an diesem Tage, an dem ich mir fest vorgenommen habe, diese Veranstaltung unbedingt zu besuchen, da sie für mich persönlich sehr wichtig war und auch für mein geplantes Projekt, das ich keine Begleitung gefunden habe. Bei einem sehr kleinen Freundeskreis vor Ort ist die Auswahl an Freunden in diesem Moment relativ klein. Es wurde also nicht leichter. Was machen? Ich wollte mein Ziel in diesem Moment dennoch erreichen und wagte den entscheidenden Schritt, diesmal allein zu gehen. Zu meinem allgemeinen Unwohlsein kam nun auch noch Unbehagen hinzu.
Also kam nun ein Gedanke mehr hinzu. Wann gehe ich los? Relativ früh, um einen guten Platz zu erwischen oder relativ spät, damit ich nicht zu lange bis zum Beginn alleine da sitze und mich nicht wirklich wohl fühle. Da ich nun wusste, das solche Veranstaltungen gut besucht werden entschied ich mich für 20 Minuten vor Beginn dort zu sein.

Ich betrat also den Raum und erstarrte erst einmal. Es gab keine Stuhlreihen, wie von mir erwartet, sondern vier große runde Tische, an denen jeweils 8 Stühle herumstanden, einige bereits belegt. An jedem Tisch saßen bereits 3-4 Personen und so musste ich mich erst einmal etwas fassen und kurzfristig entscheiden, wo ich mich nun setzen sollte. Ich entschied mich gleich für den Tisch am Eingangsbereich, da hier noch 5 Stühle frei waren und ich nicht erst durch den ganzen Raum musste. Die letzten freien Plätze füllten sich sehr schnell und die Veranstalter fingen an zusätzliche Stühle in den Raum zu stellen.
Ich spürte wieder ein Unbehagen, da die Stühle zusammengerückt werden mussten, damit weitere Gäste Platz nehmen konnten.
Plötzlich wurde ich angesprochen. Vor mir stand der für diese Veranstaltung geladene Referent.
Die Unterhaltung war eine Abwechslung für mich, so musste ich nicht unnötig Däumchen drehen und weitere Gäste zählen bzw. andere Dinge, die mir so ins Auge fallen. Das mache ich sehr oft, wenn ich mich nicht wirklich wohl in einer Situation fühle, ich schaue mich um und zähle. Auch wenn mir die Unterhaltung anfangs etwas unangenehm war, da er mich mit meinen Namen etwas lauter begrüßte und mich auf meine Diagnose ansprach und ich förmlich spüren konnte, wie sich die in der Nähe befindlichen Gäste umdrehten und stiller wurden. Es war nicht das Thema, welches mir unangenehm war, sondern einfach die Tatsache, das ich gerade von der Mehrheit der anwesenden Gäste beobachtet werde. Das Augenmerk mag höchstwahrscheinlich mehr auf den Referenten gerichtet gewesen sein, aber er führte mit mir diese Unterhaltung und in dem Moment befand ich mich in einem gewissen Mittelpunkt, der mir ganz und gar nicht liegt.
Aufgrund meines geplanten großen Projektes muss ich mich aber an diese Art von Aufmerksamkeit und im Mittelpunkt stehen gewöhnen und die Zeit dieses Projektes liegt nicht mehr weit entfernt.

Nachdem unsere Unterhaltung beendet war, merkte ich erst, wie viele weitere Gäste eingetroffen waren und das es kaum noch ein entrinnen gab. Während ich anfangs den Tisch nahe der Tür gewählt hatte, kam mir dieser Weg plötzlich unendlich weit weg vor, obwohl sich weder mein Platz noch die Tür bewegt hatten. Aber der Weg zwischen meinem Stuhl und der Tür wurde mit weiteren Stühlen belegt, so dass ich nicht einfach aufstehen konnte, ohne jemanden anzusprechen, damit ich durch diese Stuhlreihen komme. Meine innere Unruhe trat noch stärker hervor, mein Herz schlug bis zum Anschlag und die Luft wurde für mich immer enger. Ich fühlte mich gefangen und erstarrte teilweise.
Der Vortrag begann und ich versuchte mich darauf zu konzentrieren. Ich nahm um mich herum kaum etwas wahr.

Nach gut zwei Stunden war der offizielle Teil abgeschlossen und die ersten Teilnehmer standen auf und der Weg zur Tür wurde geräumt. Ich sprang sofort auf, schnappte mir nur meine Jacke und meine Tasche und raus. Ich brauchte Luft.

All dieses auf sich zu nehmen für einen Vortrag? JA.
Es ging in erster Linie ja nicht nur um diesen bestimmten Vortrag, sondern auch um mich. Ich wollte mir beweisen, dass man gewisse Dinge schaffen kann, auch wenn einem dabei der Hals zugedrückt wird. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt, die nicht nur der Vortrag mit sich gebracht hat, sondern auch die Erfahrung, das ich es schaffen kann: Allein zu dieser Veranstaltung zu gehen ohne die Örtlichkeit zu kennen, ohne zu wissen, ob jemand da ist, den ich evtl. kenne bzw. wie viele Menschen überhaupt kommen. Es ist eine Mischung aus Stolz und Unzufriedenheit. Stolz, das ich es tatsächlich geschafft habe überhaupt allein hinzugehen und Unzufriedenheit, da alles in mir zusammengebrochen ist, ich nicht ich selbst war, sondern irgendwie neben mir stand, trotz guter Vorbereitungsphase meinerseits.
Dieser Abend hat mir eindeutig gezeigt, dass ich es nicht ohne Begleitung schaffe, noch nicht. Aber ich arbeite auch hieran.



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