Es ist mir
noch nie leicht gefallen zu einer Veranstaltung zu gehen. Im Vorfeld kommen
immer wieder Fragen hoch, wie z.B.
- wie
wichtig ist mir diese Veranstaltung, um überhaupt hinzugehen (auch wenn ich es
gerne möchte)
- mit wem
kann ich dort hingehen (allein schaffe ich es nicht)
- mit wie
vielen Teilnehmern ist zu rechnen (hierbei kommt es immer auf die Umverteilung
an, also ausreichend Platz für Personen zur passenden Raumgröße)
- wie sehen
die Räumlichkeiten aus (falls ich diese nicht schon im Vorfeld kenne, was
selten so ist)
- wie oder
wo kann ich mich platzieren (möchte nie vorne sitzen oder aber dort, wo man
ständig für andere Platz machen muss, damit sie durchkommen)
Das sind
erst einmal die wichtigsten Fragen, die mir so durch den Kopf gehen. Viele
Veranstaltungen kann ich aufgrund der Ungewissheit einfach nicht besuchen, was
ich im Nachhinein immer wieder bedaure, aber ich schaffe es dann einfach nicht.
Beim Sport sagt man ja immer, man muss seinen inneren „Schweinehund“
überwinden, dann schafft man es auch. Aber hier geht es nicht um den
„Schweinehund“, sondern um mein anders sein, meine Wahrnehmung, mein ICH.
Nun habe
ich mir aber seit meiner Diagnose fest vorgenommen, mir Dinge, die mir schwer
fallen zu stellen. Dabei kommt es nun auch mal vor, dass es mir an dem gewissen
Tag einfach nicht gut geht, es machen sich Magenschmerzen, Kopfweh und Übelkeit
bemerkbar. Bisher war es dann so, das ich ja nun krank war und nicht hingehen
konnte. Dies versuche ich nun einfach zu ignorieren und ich wage mich mit
diesem Unwohlsein zu dieser Veranstaltung.
Erschwert
kam nun an diesem Tage, an dem ich mir fest vorgenommen habe, diese
Veranstaltung unbedingt zu besuchen, da sie für mich persönlich sehr wichtig
war und auch für mein geplantes Projekt, das ich keine Begleitung gefunden
habe. Bei einem sehr kleinen Freundeskreis vor Ort ist die Auswahl an Freunden
in diesem Moment relativ klein. Es wurde also nicht leichter. Was machen? Ich
wollte mein Ziel in diesem Moment dennoch erreichen und wagte den entscheidenden
Schritt, diesmal allein zu gehen. Zu meinem allgemeinen Unwohlsein kam nun auch
noch Unbehagen hinzu.
Also kam
nun ein Gedanke mehr hinzu. Wann gehe ich los? Relativ früh, um einen guten
Platz zu erwischen oder relativ spät, damit ich nicht zu lange bis zum Beginn
alleine da sitze und mich nicht wirklich wohl fühle. Da ich nun wusste, das
solche Veranstaltungen gut besucht werden entschied ich mich für 20 Minuten vor
Beginn dort zu sein.
Ich betrat
also den Raum und erstarrte erst einmal. Es gab keine Stuhlreihen, wie von mir
erwartet, sondern vier große runde Tische, an denen jeweils 8 Stühle
herumstanden, einige bereits belegt. An jedem Tisch saßen bereits 3-4 Personen
und so musste ich mich erst einmal etwas fassen und kurzfristig entscheiden, wo
ich mich nun setzen sollte. Ich entschied mich gleich für den Tisch am
Eingangsbereich, da hier noch 5 Stühle frei waren und ich nicht erst durch den
ganzen Raum musste. Die letzten freien Plätze füllten sich sehr schnell und die
Veranstalter fingen an zusätzliche Stühle in den Raum zu stellen.
Ich spürte
wieder ein Unbehagen, da die Stühle zusammengerückt werden mussten, damit
weitere Gäste Platz nehmen konnten.
Plötzlich
wurde ich angesprochen. Vor mir stand der für diese Veranstaltung geladene
Referent.
Die
Unterhaltung war eine Abwechslung für mich, so musste ich nicht unnötig
Däumchen drehen und weitere Gäste zählen bzw. andere Dinge, die mir so ins Auge
fallen. Das mache ich sehr oft, wenn ich mich nicht wirklich wohl in einer
Situation fühle, ich schaue mich um und zähle. Auch wenn mir die Unterhaltung
anfangs etwas unangenehm war, da er mich mit meinen Namen etwas lauter begrüßte
und mich auf meine Diagnose ansprach und ich förmlich spüren konnte, wie sich
die in der Nähe befindlichen Gäste umdrehten und stiller wurden. Es war nicht
das Thema, welches mir unangenehm war, sondern einfach die Tatsache, das ich
gerade von der Mehrheit der anwesenden Gäste beobachtet werde. Das Augenmerk
mag höchstwahrscheinlich mehr auf den Referenten gerichtet gewesen sein, aber
er führte mit mir diese Unterhaltung und in dem Moment befand ich mich in einem
gewissen Mittelpunkt, der mir ganz und gar nicht liegt.
Aufgrund
meines geplanten großen Projektes muss ich mich aber an diese Art von
Aufmerksamkeit und im Mittelpunkt stehen gewöhnen und die Zeit dieses Projektes
liegt nicht mehr weit entfernt.
Nachdem
unsere Unterhaltung beendet war, merkte ich erst, wie viele weitere Gäste
eingetroffen waren und das es kaum noch ein entrinnen gab. Während ich anfangs
den Tisch nahe der Tür gewählt hatte, kam mir dieser Weg plötzlich unendlich
weit weg vor, obwohl sich weder mein Platz noch die Tür bewegt hatten. Aber der
Weg zwischen meinem Stuhl und der Tür wurde mit weiteren Stühlen belegt, so
dass ich nicht einfach aufstehen konnte, ohne jemanden anzusprechen, damit ich
durch diese Stuhlreihen komme. Meine innere Unruhe trat noch stärker hervor,
mein Herz schlug bis zum Anschlag und die Luft wurde für mich immer enger. Ich
fühlte mich gefangen und erstarrte teilweise.
Der Vortrag
begann und ich versuchte mich darauf zu konzentrieren. Ich nahm um mich herum
kaum etwas wahr.
Nach gut
zwei Stunden war der offizielle Teil abgeschlossen und die ersten Teilnehmer
standen auf und der Weg zur Tür wurde geräumt. Ich sprang sofort auf, schnappte
mir nur meine Jacke und meine Tasche und raus. Ich brauchte Luft.
All dieses
auf sich zu nehmen für einen Vortrag? JA.
Es ging in
erster Linie ja nicht nur um diesen bestimmten Vortrag, sondern auch um mich.
Ich wollte mir beweisen, dass man gewisse Dinge schaffen kann, auch wenn einem
dabei der Hals zugedrückt wird. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt, die nicht
nur der Vortrag mit sich gebracht hat, sondern auch die Erfahrung, das ich es
schaffen kann: Allein zu dieser Veranstaltung zu gehen ohne die Örtlichkeit zu
kennen, ohne zu wissen, ob jemand da ist, den ich evtl. kenne bzw. wie viele
Menschen überhaupt kommen. Es ist eine Mischung aus Stolz und Unzufriedenheit.
Stolz, das ich es tatsächlich geschafft habe überhaupt allein hinzugehen und
Unzufriedenheit, da alles in mir zusammengebrochen ist, ich nicht ich selbst
war, sondern irgendwie neben mir stand, trotz guter Vorbereitungsphase
meinerseits.
Dieser
Abend hat mir eindeutig gezeigt, dass ich es nicht ohne Begleitung schaffe,
noch nicht. Aber ich arbeite auch hieran.
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