Montag, 21. Dezember 2015

Jahresrückblick 2015



Es sind nur noch wenige Tage, dann haben wir das Jahr 2015 hinter uns gelassen. Ein Jahr, das mir sehr zu schaffen gemacht hat. Es waren viele anstrengende Tage, Wochen und Monate, in denen ich kaum bis gar nicht zur Ruhe gekommen bin. Trotz dieser Hürden, die mir immer wieder in den Weg gestellt worden sind, kann ich mit Stolz sagen: Ich habe es geschafft! Das Jahr 2015 möchte ich nicht noch einmal so erleben und ich bin froh, wenn demnächst die 2016 auf meinem Kalenderblatt auftaucht. Es kann nur besser werden. Dennoch hatte 2015 nicht nur „dunkle Wolken“, es gab auch erfreuliche Dinge zu berichten. Aber wie das nun einmal so ist, wenn es einem gut geht, beachtet man es zu selten oder es wird einem erst wieder bewusst, sobald die nächste dunkle Wolke herbei zieht. Ich habe in der Vergangenheit viele dieser dunklen Wolken erleben dürfen, aber nie vergessen, das irgendwo immer wieder ein Sonnenstrahl ist, der nicht sofort gesehen wird. Einzig und allein der Gedanke an diesen einen wundervollen Sonnenstrahl habe ich es zu verdanken, das ich nie aufgegeben habe und dies auch nie machen werde, denn an jeder negativen Erfahrung bin ich ein Stück gewachsen.

Das Jahr 2015 fing eigentlich, wie jedes neue Jahr, sehr ruhig und ohne besondere Auffälligkeit an.
Wir hatten hier und da einige kleine „Baustellen“, aber nichts besorgniserregendes. Im Februar ging es dann erstmals so richtig los und dies ist dann auch bis heute so geblieben.
Mein ältester Sohn hatte einen OP-Termin. Aber zum Glück „nur“ am Meniskus und es ging schnell wieder bergauf mit ihm.
Im März stand dann bei unserem jüngsten Sohn ein OP-Termin an (Zahnsanierung) und mein Mann klagte über Schmerzen in seiner Schulter und wurde arbeitsunfähig. Im Juni dann endlich der langersehnte OP-Termin. Zu unserem Entsetzen war nichts mehr zu retten und die Ärzte mussten ihm ein neues Schultergelenk einsetzen. Aufgrund dieser aufwendigen OP ist er, trotz längerem Krankenhausaufenthalt, zwei Reha-Maßnahmen und Therapien vor Ort weiterhin krankgeschrieben. Zwischenzeitlich gab es auch einen längeren Klinikaufenthalt von meinem großen Sohn, den ich ja als Notfall einliefern musste, während eines Krankenbesuches bei meinem Mann.
Durch diese Schulter-OP hat sich vieles bei uns verändert. Die Arbeiten blieben natürlich überwiegend an mir hängen bzw. ich konnte es mit meinem ältesten Sohn gemeinsam ausführen. Er war und ist mir in dieser ganzen Zeit eine große Stütze gewesen und wir haben uns gegenseitig geholfen, wo es ging. Mein Mann hat in dieser Zeit wohl am meisten unter den ganzen Umständen gelitten. Während ich teilweise nicht mehr wusste, wo vorne und hinten ist, musste er immer nur tatenlos zusehen. Allein sein fester Wille, unbedingt wieder Arbeiten gehen zu können und in seinem Beruf weiterhin tätig zu bleiben, hat ihn immer wieder aus seinen traurigen Momenten herausgeholt. Es war und ist für uns alle nicht einfach, aber ohne Ziel vor Augen hätten wir dies alles nicht erreichen können.

Eigentlich sollte unser Sommerurlaub in diesem Jahr ausfallen und so fuhr ich, während mein Mann auf Reha war, mit unserem jüngsten Sohn allein für einige Tage an die Nordsee. So sind wir alle ein wenig auf andere Gedanken gekommen. Leider nutze ich diese Zeiten nicht wirklich zur Entspannung, sondern habe in diesen Momenten weitere „verrückte“ Ideen im Kopf. So überlegte ich mir, das wir unseren Sommerurlaub gar nicht absagen müssen, sondern einfach meinen Mann „einpacken“ und unseren gewohnten Familienurlaub nach Rückkehr aus der Reha angehen könnten. Noch während meines Kurzurlaubes suchte ich vor Ort nach einer passenden Unterkunft, die ich auch sehr schnell fand. Warum sollten wir auf Urlaub verzichten und wo ist der Unterschied, ob ich meinen Mann zu Hause pflege oder aber am Urlaubsort. Natürlich hatte ich viel Bauchschmerzen während der Planungsphase, schließlich bedeutete es für mich, das ich erstmals selbst mit dem Auto in Urlaub fahren musste und die Fahrdauer sprach nicht gerade dafür, das ich dies auch schaffen könnte. Ich wuchs ein weiteres Mal über mich hinaus und besiegte die Angst vor dieser Autofahrt. Der Urlaub verlief ohne Komplikationen – welch Wunder.


Im Spätsommer hat unser ältester Sohn ein Reihenhaus erworben und dort warteten natürlich nun ebenfalls die Arbeiten für eine Komplettsanierung. Wie gerne hätte mein Mann mit angefasst und den Innenausbau übernommen. Wieder begann eine Zeit der Traurigkeit, denn er musste wieder einmal zusehen, wie mein Sohn neben seiner beruflichen Tätigkeit und einem laufenden Studium jetzt auch noch die Sanierung überwiegend alleine übernehmen musste. Ich half meinem Sohn in dieser Zeit, so gut es ging und zum Glück gab es viele Freunde meines Sohnes, die ebenfalls mit anfassten. Körperlich fühlte ich mich um 20 Jahre gealtert, da die Pflege meines Mannes, die Sanierung des Hauses und unser Haushalt alles von mir abverlangte.
Anstatt jede freie Minute zur Erholung zu nutzen, suchte ich mir einen anderen Ausgleich und so begann ich wieder mit Planungen für eine weitere Autismus-Fachtagung für meine SHG.

Damit mir nicht langweilig wird, sorgte ab September die neue Schule meines jüngsten Sohnes. Derzeitiger Stand ist aber immer noch, das noch nichts genaues raus gekommen ist. Ich halte die Schule zwar immer noch für kompetent und gute Wahl für Autisten, aber wir scheinen irgendwie ein Beispiel zu sein, wie es anfangs nicht laufen sollte. Zumindest haben wir schon einmal einen Termin für den runden Tisch im Januar. Ist schon mal etwas und in der Zwischenzeit machen wir einfach das beste aus Allem.
Wir sind einfach eine chaotische Familie und ohne Chaos scheint hier nichts zu Laufen.

In diesem Sinne wünsche ich meinen Lesern eine schöne und besinnliche Weihnachtszeit und ein gesundes und stressfreies 2016.



Samstag, 21. November 2015

"Lass es raus"

Ich bin ein Mensch, der mit wenig Schlaf auskommt. Nicht, weil ich diesen nicht brauche oder nie müde bin. Schlaf habe ich immer überbewertet, konnte nie verstehen, warum andere so gerne oder so lange schlafen.

Richtlinien zufolge sollten Kinder je nach Alter ca. 11 Stunden Schlaf bekommen, Heranwachsende bis zu 9 Stunden und ein ein gutes Maß bei Erwachsenen sind ca. 6-8 Stunden Schlaf.
Bei mir sind es ca. 3-4 Stunden Schlaf, aber das schaffe ich nicht einmal in eins durch, sondern mit Wachphasen zwischendurch. Meine bisherige Vermutung lag immer darin, das ich nicht ausgelaugt genug war, habe nicht genug Power in den Tag investiert und müsste meine Zeit zwischen körperlicher und geistiger Anstrengung besser aufteilen, damit auch ich in einen wohlverdienten Schlaf falle.
Wenn ich abends ins Bett gegangen bin, dauerte es auch nicht lange, bis sich meine Augen schlossen und ich eingeschlafen bin. Wurde ich wach, fühlte ich mich ausgeschlafen, schaute auf die Uhr und musste mit Entsetzen feststellen, das ich erst 1-2 Stunden geschlafen habe. Dieser Schlafrhythmus hält bei mir bis zum Morgengrauen an, dann darf/kann ich endlich aufstehen. Die Nacht ist bei mir immer eine Qual, auch wenn ich abends müde und erschöpft bin.

Letztens hatte ich über Facebook PN-Kontakt mit einer Mutter, deren Sohn ebenfalls die Nacht gerne zum Tag macht und mit wenig Schlaf auskommt. Wir haben lange hin und her geschrieben und während dieses Nachrichtenübertragung kamen bei mir immer mehr Gedankengänge zum Vorschein. So hatte ich viele Ähnlichkeiten mit der Schlaflosigkeit ihres Sohnes. Ihr Sohn bekommt nachts ständig Overloads, findet dann nicht mehr in den Schlaf. Tagsüber selten bis gar keine Overloads – wie bei mir. In meinem Kopf gab es ein wildes Gedankenkarussell. Gibt es Zusammenhänge zwischen unserer Schlaflosigkeit und den Overloads? Es hat mir keine Ruhe gelassen und so wählte ich in der vergangenen Nacht einen eher ungewöhnlichen Weg für meine Nachtruhe.

Bevor ich Schlafen ging, versuchte ich mich zu triggern. Ich provozierte ganz bewusst einen Overload bei mir herbei. Da es bestimmte Dinge gibt, die mich sehr leicht triggern lassen, ließ ich es zu, das ich bis zum Äußersten ging und ich konnte es ebenfalls zulassen, das ich meinen Overload „die Tür öffnete“.


In all den Jahren, in denen ich nicht wusste, warum ich so bin, wie ich bin, habe ich gelernt, mich anzupassen. So sehr, das ich erst, wenn ich allein war, es zulassen konnte, meine Wut, Hilflosigkeit, Überforderung oder Ängste raus zu lassen. Mit Familie ist es dann noch schwieriger, diese Tür zu öffnen, denn man möchte es auch nicht zeigen, ich zumindest nicht. Dadurch konnte ich nachts alles raus lassen, wozu ich am Tage nicht in der Lage bin. In der Familie und unter Freunden darf ich Autistin sein und ich lebe seit meiner Diagnose auch gut und offen damit, einfach anders zu sein und das ist auch gut so. Aber meine Overloads sind und bleiben „meine“ Overloads, die möchte ich auf keinen Fall mit anderen Teilen – was nicht immer leicht ist, aber aufgrund meiner Lernfähigkeit zum Anpassen und meiner „egoistischen Phase“, mich bei Bedarf zurückzuziehen, kann ich dieses „steuern“. So habe ich es gestern Abend auch „gesteuert“ und mich triggern lassen. Ich hatte noch vor dem Zubett gehen einen Overload, konnte demzufolge auch sehr schlecht einschlafen, aber als es dann soweit war und ich in den Schlaf gefunden habe…. 8 Stunden Schlaf mit zwei kleinen Unterbrechungen – Wow – Rekordleistung. Nun ist es nicht so wunderbar, wie es sich vielleicht gerade liest, denn ich bin mit starken Kopfschmerzen erwacht, die mich schon den ganzen Tag begleiten, einen Overload bewusst herbeizuführen, gehört auch nicht gerade zu einem Ritual, welches ich mir angewöhnen möchte und jeder, der selbst schon in einem Overload drin war bzw. Kinder hat und ständig erleben muss, wie es ist, der weiß, das dies keiner freiwillig machen möchte. Aber es war ein Experiment und ich werde es heute noch einmal starten. Einfach um zu sehen, ob ich weiter an mir arbeiten muss, damit ich lerne, einen Overload zuzulassen, wenn er raus möchte und es nicht unterbinde, nur weil ich gerade nicht allein bin. Meine Familie wird es verstehen, akzeptieren und hinnehmen. Jetzt muss ich erst einmal verstehen, akzeptieren und hinnehmen, das ich nicht alles in mich hineinfressen darf, sondern es zwischendurch auch mal rauslassen darf.

Donnerstag, 19. November 2015

Der (halbrunde) Tisch – Schulgespräch



In meinem letzten Blogbeitrag habe ich von meinem ersten Schulgespräch geschrieben. Heute war Fortsetzung dieses Gespräches, allerdings in etwas größerer Runde. Von Seiten der Schule waren anwesend Frau B. (Leitung für I-Kinder, Nachteilsausgleich etc.), Frau H. (Klassenlehrerin), Frau W. (zuständig für den sonderpädagogischen Förderbedarf). Da der Termin sehr kurzfristig angesetzt war und es auch „nur“ ein Beratungsgespräch werden sollte, habe ich zur Unterstützung eine gute Freundin und gleichzeitig Ehefrau unseres Therapeuten mitgenommen, die auch in der Praxis ihres Mannes arbeitet und demzufolge sich mit der Materie auch auskennt. Allerdings ohne die Schule von meiner Begleitung vorab in Kenntnis zu setzen.

Das Gespräch ist relativ gut und positiv verlaufen. Zumindest nach jetzigem Stand, habe ich ein gutes Bauchgefühl. Ein Gefühl, welches ich in der Vergangenheit zum Thema Schule noch nicht kannte, zumindest nicht an dieser weitergehenden Schule.
Nach einer kurzen Vorstellung und Einleitung durch Frau B. kamen wir auch schnell auf den Punkt. Dank meiner Begleitung, welche schnell das Wort übernahm und sogleich erklärte, das unser Sohn B. im Grunde genommen keinen sonderpädagogischen Förderbedarf benötigt und dies auch anhand von Fallbeispielen dokumentierte, stimmte Frau B. zu und merkte an, das sie dies unter den geschilderten Umständen ebenso sieht.
Wir wurden uns auch schnell einig, das ein Nachteilsausgleich aufgrund der mündlichen Benotung dringend erforderlich ist und dies auch so schnell als möglich erfolgen sollte. Ich hatte hierzu kurz erwähnt, das B. bereits in einem Fach (Religion) eine 5 erhalten hat mit der Bemerkung der Lehrerin, das er sich nicht am Unterricht beteiligen würde und es wohl so ausschaut, als wenn die Fachlehrer immer noch nicht darüber aufgeklärt wurden, das unser Sohn Autist sei. Die Klassenlehrerin verneinte dies zwar auf Anfrage von Frau B., konnte dies aber niemanden glaubhaft machen. Hier entschied Frau B. dann auch ganz spontan (zu meiner Freude), das die Klassenlehrerin umgehend, und zwar noch in der kommenden Woche eine Fachlehrerkonferenz einberuft, damit sämtliche Fachlehrer, die B. unterrichten, informiert werden.
Der runde Tisch wird auch kurzfristig erfolgen, und zwar noch vor den Winterferien. Frau B. bedankte sich hier auch sofort, das wir dafür dann unseren Therapeuten und Herrn G. (Therapeut für autismusspezifische Förderung) mit zum runden Tisch laden werden, damit diese dann noch einmal genau schildern und erklären können, warum es wichtig ist, auf jeden Autisten speziell einzugehen und inwiefern die Schule dabei eine wichtige Rolle spielen muss.

Das unser Sohn B. vom Schwimmunterricht befreit wird, war für alle Anwesenden ohne Diskussion beschlossene Sache. So wurden Ideen vorgebracht, in welcher Art und Weise dieser Schwimmunterricht genutzt werden kann. Frau B. versucht dies nun mit den Kollegen zu klären und eine für alle Seiten angenehme Lösung vorzutragen.

Im Anschluss und während des einstündigen Gespräches wurden von unserer Seite immer wieder Fallbeispiele zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis vorgebracht und man sah immer wieder erstaunte (aber auch verständliche) Gesichter.
Zum Ende des Gespräches bat mich die Klassenlehrerin dann noch um regelmäßigen Austausch per Email, damit ich ihr mitteilen kann, wenn unser Sohn zuhause Probleme bzw. Vorfälle aus der Schule schildert, damit Frau H. diese evtl. ändert, mindern oder richtig stellen kann. Denn wie schnell es zu Missverständnissen in der Kommunikation mit Autisten und Nts kommen kann, konnten wir aufgrund eines guten aktuellen Beispieles ebenfalls belegen. So ist es mir am Vortrag des Gespräches passiert, als ich von Frau B. Eine Email erhalten habe mit der Uhrzeit des Termins. Ich habe mir die Uhrzeit notiert und gut war es damit für mich. Kurze Zeit nach der erhaltenen Email rief mich die besagte Lehrerin an, um mir mitzuteilen, das sie mir eine Email geschickt hat mit der Terminsbenachrichtigung. Ich teilte ihr mit, das ich von dem Termin Kenntnis genommen habe. Daraufhin sagte sie leicht angesäuert am Telefon, warum ich dann nicht auf die Email geantwortet hätte. Ich sah in dieser Email nur eine Mitteilung, da stand nichts von einer Bestätigung des Termines bzw. Rückantwort. Schließlich hatte ich im ersten Gespräch erwähnt, das ich an diesem besagten Tag Zeit hätte und nur noch auf die Uhrzeit warte. Nach dieser Erklärung musste auch Frau B. lachen und entschuldigte sich gleichzeitig, das sie nicht auf die richtige Satz- bzw. Fragestellung in der Email geachtet hat. Dies wird sie sich für die Zukunft merken und nun auch genau darauf achten, wie sie etwas formuliert :-)

Es war, wie bereits erwähnt, ein sehr nettes, ruhiges und informatives Gespräch, welches ich allerdings ohne Hilfe und Begleitung in dieser Art und mit dem Ergebnis nicht erreicht hätte. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank A.

Ich werde jetzt die nächsten Tage abwarten, ob die Klassenlehrerin mir nun ihre Kontaktdaten zukommen lässt, damit ich sie auch immer auf dem Laufenden halten kann, oder ob dies von ihrer Seite nur eine Höflichkeitsfloskel war.

Ebenfalls hoffe ich, das uns der Termin für den runden Tisch frühzeitig bekannt gegeben wird, damit wir alles notwendige dafür in die Wege leiten können.

Bin aber gerade ganz positiv gestimmt und hoffe, das wir bald wesentlich entspannter und unser Sohn sorgenfreier und mit mehr Freude zur Schule gehen kann.

Der Anfang ist hoffentlich getan….



Donnerstag, 12. November 2015

Wieder ein Schritt weiter (Schule Teil II)



Heute hatte ich endlich das lang ersehnte Gespräch in der Schule.
Es war zwar nicht der von mir gewünschte runde Tisch, aber immerhin ein Gespräch mit einer kompetenten Lehrerin, und davon habe ich bis zum heutigen Datum noch nicht viele an der Schule kennen lernen dürfen.

Kurz nachdem ich in ihr Büro ging dachte ich schon „ohje, noch eine von diesen Experten“, denn sie sagte mir gleich „Der Diagnosebericht von B. ist ja bereits 5 Jahre alt, ich dachte erst, den müssen sie aber erst einmal erneuern lassen. Aber dann habe ich mich erkundigt und erfahren, das man Autismus ein Leben lang hat“.
Mein erster Gedanke war Flucht. Ich war nicht bereit, mit einer Dame zu sprechen, die für Integrationskinder und Nachteilsausgleich zuständig ist und keine Ahnung von ihrem Aufgabenbereich hat. Aber zum Glück lenkte sie sofort wieder ein und stellte mir die erste Frage. Meine Antwort war wohl nicht so, wie sie es sich gewünscht hatte, denn sie schlug sich sofort die Hände an den Kopf und sagte nur „das glaub ich jetzt nicht“. Diese Bewegung mit der gleichen Äußerung folgte dann noch weitere fünfmal. Sie glaubte nicht, was ich ihr erzählte, was so in den letzten 8 Wochen seit Schulbeginn alles gelaufen ist bzw. eben nicht gelaufen ist.
Sehr sympathisch wurde sie mir bereits nach ihrem ersten Fluch, als sie dann ihre „pädagogisch wertvollen“ Wörter wegließ und öfters auch mal ein „Schei… - oh sorry“ oder so rüber kam.

Alles in allem kurz zusammengefasst und um nur einige Beispiele hier zu nennen, war ein großes Thema der 6-wöchige Judounterricht, Schwimmen sowie die Klassenfahrt.
Sie verstand die Welt nicht mehr, nachdem ich ihr von unseren ganzen Bemühungen berichtet habe, wie wir versucht haben, mit der Schule bezüglich einzelner Gespräche in Kontakt zu treten und ständig auf taube Ohren und fehlende Rückrufe stießen.

Sie selbst hat von unserem „Fall“ erst in der letzten Woche vor den Herbstferien erfahren und sofort diesen Termin mit mir vereinbart. Nach den Herbstferien war sie eine Woche auf einer Fachtagung und somit ging es leider nicht früher, wofür sie sich immer und immer wieder entschuldigte. Das sie diesen Termin, der für mich eine Ewigkeit gedauert hat (genau 8 Wochen) so dringend gemacht hat, habe ich heute gemerkt, nachdem ich auf den Vertretungsplan der Schule geschaut habe und sie extra für dieses Gespräch zwei Unterrichtsstunden ausfallen ließ.

Zum Ablauf des Judounterrichtes glaubte sie ihren Ohren nicht zu trauen und fragte mehrfach nach, ob unser Sohn wirklich verpflichtet war, trotz Absprache zwischen dem Judolehrer und unserem Therapeuten, das B. barfuß mit machen musste und zudem auch noch die Prüfung absolvieren musste.
Nachdem ich ihr dann die Situation mit dem Schwimmen erwähnte, sagte sie gleich, da wird er natürlich befreit – wir müssen nur schauen, ob er in dieser Zeit in eine andere Klasse geht oder aber in dieser Zeit der sonderpädagogische Teil in Form einer Förderstunde in Frage käme. Gut, das sehe ich ein, da könnten wir mit leben.
Nebenbei erwähnte ich kurz, das es ja schade wäre, das B. nicht an der Klassenfahrt teilnehmen darf, weil er ja aufgrund des Schwimmproblems ausgeschlossen werden soll aus versicherungstechnischen Gründen, war sie wiedermal (und ich weiß nicht, wie oft in dieser kurzen Zeit) ganz erstaunt und meinte sofort“ Man kann doch einen Autisten bzw. ein besonderes Kind, welches gerne mit zur Klassenfahrt möchte, nicht aus solchen Gründen aus der Klassengemeinschaft nehmen. Wer hat denn das gesagt?“ Ich antwortete ihr, das mir dies von Seiten der Klassenlehrerin und auch des Rektors mitgeteilt worden ist. Auch erwähnte ich noch, das es ja auch möglich wäre, das ich mich während der Klassenfahrt in der Nähe aufhalten könnte für den Fall, das die Klasse Schwimmen gehen würde und B. dann ja nicht daran teilnehmen kann/darf/will. Sie fand das eine wunderbare Idee und fragte auch gleich wieder nach, was denn die Klassenlehrerin von dieser Idee halten würde. Noch bevor ich antworten konnte, kam ein „ach ja, sie haben ja nie die Möglichkeit erhalten, mit der KL zu reden“. Auch die Klassenfahrt wird sie noch in dieser Woche mit der KL, dem Rektor und der Sportlehrerin ausdiskutieren und weiterhin die Schwierigkeiten, die sich bei meinem Sohn im Sport noch so ergeben könnten.

Nach ca. 45 Minuten war das Gespräch beendet. Nicht, weil ich kein Gesprächsstoff mehr hatte, sondern weil die gute Frau offen und ehrlich zugeben musste, das sie dies alles erst einmal verdauen müsse, Pläne vorbereiten  und vor allem aber ganz dringend Gespräche mit den Kollegen führen muss.
Wieder entschuldigte sie sich bei mir für das Verhalten, welches mir entgegengebracht wurde und unser Sohn schon in so kurzer Zeit in der neuen Schule alles schlucken musste.

Nächste Woche habe ich bereits den nächsten Termin bei ihr, diesmal gemeinsam mit der Klassenlehrerin und einer Dame, die für den sonderpädagogischen Förderbedarf zuständig ist. Hier werde ich mir aber auf jeden Fall dann Unterstützung mitnehmen müssen, denn die KL wird ein harter Kern.

Den Nachteilsausgleich haben wir kurz angesprochen, dieser kann aber erst nach dem Gespräch nächste Woche genauer erörtert werden. Auf jeden Fall wird es in den nächsten Wochen einige Mehrstunden für die Lehrer geben, in denen mein Sohn aus dem Unterricht herausgenommen wird zwecks Erstellung des Gutachtens. 

Zuhause fiel mir erst ein, das ich vergessen hatte, nach dem Termin für den zugesagten runden Tisch zu fragen (aber vielleicht ist es ja nächste Woche schon ein "halbrunder" Tisch?)

Umgesetzt werden kann der sonderpädagogische Förderbedarf allerdings erst frühestens im Mai 2016, aber das empfinde ich wiederum nicht als so schlimm, da ich immer noch der Meinung bin, das B. nicht wirklich diesen Förderbedarf benötigt, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie es die Schule gerade auslegt. Manchmal hilft schon ein wenig Menschlichkeit, Freundlichkeit, Verständnis, vernünftige und klare Ansagen, bessere Erklärungen und eine gute Umsetzung von positiven Inklusionsgedanken – denn Inklusion beginnt im Kopf.

Dienstag, 3. November 2015

Der längste Weg beginnt immer mit dem ersten Schritt…



Wir sind zwar noch nicht einmal in der Mitte des Weges angelangt, können aber mit Stolz behaupten, das wir dem Ziel immer näher kommen und nicht vergessen dürfen, das es auf diesem Weg auch sehr viele Umwege und Umleitungen gab und weiterhin geben wird. Wir lernen aus diesen Erfahrungen.

Bisher verlief die Schulzeit unseres Sohnes B. ohne große Komplikationen. Es gab immer mal wieder Schwierigkeiten, Hürden und Missverständnisse, die uns in der Grundschulzeit begleitet haben, aber im Großen und Ganzen verlief alles relativ „easy“.

Nun gab es den Schulwechsel auf die weiterführende Schule. Wir haben uns für ein Gymnasium entschieden, welches bei uns vor Ort einen sehr guten Ruf in Bezug auf Autisten hat. Bei der Anmeldung gab ich die Diagnose mit an, schrieb auch einige Besonderheiten mit rein. Bei der Übergabe des Anmeldeformulars an der Schule teilte ich der Sekretärin dies auch noch einmal mündlich mit und bat um eine Vermerk für ein Gespräch vor „Einschulung“. Dieses Gespräch erfolgte nicht (bis heute).

Nach der ersten Schulwoche und bereits aufgetretenen Problematiken rief ich in der Schule an und bat um kurzfristigen Rückruf der Klassenlehrerin. Ich rief mehrfach an und kein Rückruf erfolgte. Da die Probleme in der Schule nicht besser wurden, bat ich bei unserem Therapeuten um Unterstützung, welche auch sofort erfolgte. Der Rückruf in der Praxis erfolgte zwar von der Klassenlehrerin, aber die telefonischen Zusagen blieben aus.

Nach 2 ½ Wochen Schule erfolgte der erste Elternabend. Ich ging hin mit einigen Seiten an Notizen, damit ich auch nichts vergesse und mir war es zu diesem Zeitpunkt schon relativ egal, ob die anderen Eltern nun Zeugen meines Frustabbaues werden, Hauptsache, ich konnte endlich mal mein Anliegen, welches wirklich wichtig war und ist, an die Klassenlehrerin weitergeben. Ich hätte es notfalls auch gerne per Mail oder telefonisch gemacht, aber Infos aus der Schule hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt noch keine und außer den Kontakt über das Sekretariat, hatte ich keine andere Möglichkeit.

Am Elternabend stellten sich die Eltern dann alle nacheinander vor und kurz vor Schluss war ich dann dran. Während all meine Vorredner die Eingewöhnungsphase in der Schule lobten und alles bisher so toll fanden, teilte ich nur kurz meinen Namen mit und wollte mit meiner Aufzählung der Notizen beginnen. Doch schon nach Punkt 1 meiner Liste (fehlende Rückrufe) fiel mir die Klassenlehrerin ins Wort und sagte nur kurz und knapp:“Ich dachte der Rückruf kann schon nicht so eilig sein, als das es bis zum Elternabend warten könne. Nach dem Elternabend habe ich für uns eine Gesprächsrunde eingeplant“ - Nun war ich total baff, fühlte mich sogleich übergangen, da ich keinerlei Infomaterial dabei hatte und schon gar keine Vorbereitungszeit, um mich auf dieses Gespräch vorzubereiten. Ich fing leicht an zu zittern. Gut, das die Mutter von B. seinem Freund ebenfalls anwesend war und auch einiges anzumerken hatte. Sie unterstützte mich dann auch tatkräftig bei dem Gespräch nach dem Elternabend.
Ganz zu Anfang war die Klassenlehrerin ganz erstaunt, das mein Sohn Autist ist. (Ein Blick in die Schülerakte hätte da schon ausgereicht, um diese Info zu erhalten). Dann der Zusatz:“ Ich hatte im letzten Jahrgang eine Autistin in meiner Klasse, aber der hat man den Autismus angesehen“ - Prima, ich habe Autismus noch nie gesehen und bin immer sehr interessiert, wenn es wieder neue Thesen in Bezug auf Autismus gibt – *Ironie off*
Um es zu verkürzen, die KL war sofort der Meinung, mein Sohn müsste als I-Kind (Integrationskind) in der Schule geführt werden, ein runder Tisch muss anberaumt werden und zwar unmittelbar und sie wollte gleich am nächsten Tag die Kollegen informieren, damit diese eine Kurzinfo von B. erhalten und mit ihren Rügen und Einträgen etwas vorsichtiger sind, bis ein ausführliches Gespräch stattgefunden hat.
Hörte sich alles wunderbar an. Nur auf diese Worte folgten keine Taten.

Ich wartete das Wochenende ab, setzte mich mit unserem Therapeuten in Verbindung und von dem Tag an „nervten“ wir in regelmäßigen Abständen in der Schule mit unseren Anrufen. Eine weitere Woche später war eine Klassenfahrt geplant. Es lief unter Kennenlernfahrt und es war nur eine Übernachtung inbegriffen. Dennoch galt es auch hier, einige Dinge bezüglich unseres Sohnes mit der KL abzuklären. Am Tage der Abfahrt ging die Klassenlehrerin an mir vorbei ohne mir eines Blickes zu würdigen, geschweige denn mal ein „Guten Morgen“ von sich zu geben. Ich kochte fast vor Wut, wusste aber, das unser Sohn diesen einen Tag gut meistern würde und wartete bis zur Abfahrt, ob noch eine kurze Rücksprache erfolgte. Nichts!
Kaum war der Bus aus meinem Blickfeld, ging ich zurück in die Schule mit der Absicht, direkt zum Rektor zu gehen und meinen Unmut vom Stapel zu lassen. Leider kam ich nicht weiter, als bisher. Alle Türen waren verschlossen. Selbst im zuständigen Sekretariat unseres Jahrgangs. Also zum nächsten Sekretariat. Dort hatte ich einen kleinen Teilerfolg – ich fand einen Gesprächspartner, was bisher in dieser Schule für mich schon Seltenheitswert hatte. Mir wurde mal wieder ein Rückruf zugesagt, der wieder ausblieb!!!

Beim Elternabend gab es ja die allseits beliebten Elternvertreterwahlen :-)
Zum Glück ließ sich die Mutter von B. seinem besten Freund zur Wahl aufstellen.
Dies hatte für mich plötzlich einen sehr großen Stellenwert, denn diese Mutter schaffte es ca. 14 Tage später bei der ersten Elternvertreterversammlung, den Rektor der Schule auf unsere Problematik anzusprechen.
Als unser Sohn und auch sein Freund am nächsten Tag aus der Schule kamen, hatten beide wieder mal einen Eintrag im Schülerheft. Dieser Eintrag war noch ungerechtfertigter als alle anderen bisherigen Einträge. Also verabredete ich mich mit der Mutter und inzwischen sehr lieben Freundin und wir gingen gemeinsam zur Schule. Nach einiger gewissen Zeit auf der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner, wurden wir fündig und wie es der Zufall will, kam auch gerade der Rektor um die Ecke. Er bestätigte mir ebenfalls noch einmal, das die Angelegenheit nun endlich ins Rollen kommt und wir unmittelbar eine Lösung finden werden.

Mittlerweile standen nun die ersten Ferien vor der Tür. Am letzten Schultag erhielt ich einen Anruf der Schule mit einer Terminsmitteilung für ein Gespräch mit einer mir nicht bekannten Lehrerin. Auf Nachfrage konnte mir nichts gesagt werden, worum es bei diesem Termin geht. Super – nun sind Ferien und ich darf 14 Tage grübeln.

Am ersten Schultag nach den Ferien setzte ich mich sofort mit der Schule in Verbindung, um mit dieser besagten Lehrerin zu sprechen. - In den Ferien hatte ich vergessen, das dies an dieser Schule wirklich nicht so einfach ist *Ironie off*-
Die besagte Lehrerin ist die ganze Woche auf Lehrgang und somit nicht erreichbar. Die Sekretärin konnte mir zumindest mitteilen, das es sich bei der Lehrerin um die Leitung für I-Kinder handelt. Zumindest etwas und eine Zusage für einen Rückruf vor diesem Besprechungstermin habe ich auch mal wieder erhalten.

Fortsetzung folgt, denn nun muss ich hier erst einmal pausieren, da ich heute erst in der Schule angerufen habe und frühestens in 8 Tagen ein Rückruf erhalten werde (die Hoffnung stirbt zuletzt) und der Termin für die Besprechung ja erst in 10 Tagen anberaumt ist. Tolle Vorbereitungszeit die ich da noch habe – aber man will ja nicht undankbar sein, denn die Schule an sich halte ich immer noch für die beste Wahl für unseren Sohn, auch wenn wir derzeit aufgrund der Klassenlehrerin einige schwerwiegende Startschwierigkeiten haben.



Montag, 2. November 2015

Mein derzeitiger Familienalltag / Update

Jetzt ist schon wieder einige Zeit ins Land gezogen und ich komme gar nicht dazu, meinen Blog bzw. meine Leser auf dem Laufenden zu halten.

Unsere Baustellen sind nicht wirklich weniger geworden, in einigen Bereichen haben sie sich reduziert, andere sind größer geworden, aber Zeit zum Jammern habe ich nicht und vor allem keine Lust, denn ich muss die Probleme beim Schopf packen und auf Worte Taten folgen lassen, ansonsten kann sich nichts ändern.


Unser ältester Sohn ist wieder genesen und es läuft wieder richtig gut bei ihm. Zwischenzeitlich hat er sich ein kleines Haus gekauft und ist dort fleissig am sanieren. Am Wochenende erfolgte sein Einzug in das neue Zuhause, obwohl es dort noch eher nach Baustelle ausschaut als nach einem warmen Heim, aber er musste aus seiner Wohnung raus und hat sich nun erst einmal notdürftig ein Zimmer fertig gemacht. Alles andere erfolgt nun nach und nach, aber es geht schnell voran und noch vor Weihnachten wird er mit allem fertig sein und das erste Weihnachten in seinem Eigenheim verbringen.

Unser inzwischen 11-jähriger Sohn B. hat nach den Sommerferien die Schule gewechselt und geht nun in die 5. Klasse eines Gymnasiums. Hier haben sich nun neue Baustellen aufgetan, an deren Lösung ich immer noch arbeite und hoffe, das auch die Schule so langsam mitwirkt und wir hier auf einen guten Nenner kommen. (Dazu wird es noch einen separaten Beitrag geben, sobald ich für diese Baustelle ein Grundgerüst erstellt habe).

Mein Mann ist immer noch krankgeschrieben. Nach der OP war er zwischenzeitlich zweimal auf Reha und nun geht es zuhause weiter mit Krankengymnastik und Muskelaufbau. Dazu fahre ich ihn nun 5x die Woche zur Therapie. Wir sind immer noch sehr optimistisch, das mein Mann im nächsten Jahr wieder in seinen Beruf zurückkehren kann, auch wenn uns niemand in dieser Richtung wirklich Hoffnung machen kann. Das Schultergelenk, welches meinem Mann eingesetzt wurde, gibt es noch nicht allzu lange, so dass den Ärzten noch die Erfahrung damit fehlt und alle bisherigen Patienten mit dieser Prothese entweder bereits im Rentenalter waren oder aber anschließend nicht wieder vor hatten, ins Berufsleben zurückzukehren. In diesem Sinne ist mein Mann gleichzeitig auch noch „Versuchskaninchen“, ob man mit diesem Schultergelenk, welches bis zum heutigen Stand bisher bei 3000 Patienten eingesetzt wurde, den Alltagstest besteht. Es wird noch ein langer Weg sein, bevor wir überhaupt an Eingliederung denken können, aber wir bemerken die täglichen Fortschritte und arbeiten daran.

Ich musste natürlich in dieser für uns alle doch sehr nervenaufreibenden und anstrengenden Zeit am meisten zurückstecken, aber damit habe ich überhaupt keine Probleme. Ich bin durchgehend beschäftigt und solange es sich bei mir um positiven Stress handelt, kann ich diesen sehr gut verarbeiten.
Mein Kleingewerbe musste sehr stark reduziert werden, aber in dieser Zeit kann ich wieder neue Ideen sammeln und irgendwann wieder richtig durchstarten. Derzeit versuche ich es mit kleinen Aufträgen weiter zu betreiben, aber zeitlich gesehen, komme ich nicht dazu, neue Ideen umzusetzen oder an Veranstaltungen mit einem Verkaufsstand teilzunehmen. Aber ab 2016 wird es wieder neu durchgestartet.

Neben meinen familiären Baustellen organisiere ich gerade noch zwei Veranstaltungen, eine erfolgt bereits jetzt im November und diesem Projekt widme ich gerade jede freie Minute, die mir zur Verfügung steht. Ich freue mich schon sehr auf diese Lesung und weiß, das sich dafür die ganze Arbeit lohnen wird. Ebenso wie für mein Großprojekt im April nächsten Jahres, wenn es wieder einen 2. Autismustag geben wird, den ich mit meiner SHG organisiere und die Planungen bereits auf Hochtouren laufen. Aber all dies ist, wie bereits erwähnt, positiver Stress und bietet mir gleichzeitig etwas Ausgleich zu meinen alltäglichen Arbeiten für Familie und Haushalt, die ich meistens alleine bewältigen muss.

Negativen Stress hatte ich in den letzten 7 Wochen nur aufgrund unserer derzeitigen Schulproblematik. Hier müssen noch sehr viele Steine aus dem Weg geräumt werden, aber kämpfen gehört zu eines meiner Stärken, die ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe und dank ganz lieber Freunde, erhalte ich hier sehr viel Unterstützung.

Donnerstag, 23. Juli 2015

Besuch mit "Sitzfleisch"

Besuch mit Sitzfleisch

Ich bekomme nicht besonders oft Besuch und meistens ist es so, das ich mir diesen Besuch auch ganz genau „aussuche“, also selbst entscheide, ob ich gerade auf Besuch eingestellt bin und um wem es sich handelt. Meine wenigen Freunde, die ich im realen Leben habe, wissen dies und melden sich vorher an.
Es gibt Momente, da kann ich einfach nicht auf Besuch, da brauche ich nur meine Ruhe bzw. meine Familie um mich herum und selbst die Familie ist in manchen Momenten sogar zuviel.
Derzeit ist meine kleine Familie sehr sehr klein geworden, da mein Mann auf Reha ist, der Große seinen eigenen Haushalt hat und ich somit die meiste Zeit nur mit meinem kleinen Sohn allein bin.
Ich genieße diese Ruhe und auch das Allein sein, aber genauso sehr vermisse ich meinen Mann und die Anwesenheit vom Großen, der zwar zwischendurch (meist täglich) mal vorbeischaut, aber nie wirklich lange bleibt.
Wenn wir Besuch erhalten, dann kommen diese Menschen meistens zu meinem Mann, da ich vor Ort nicht wirklich viele Freunde habe, die „mal kurz“ vorbeischauen könnten. Nun ist es so, wenn dann mal Besuch da ist, egal, ob es Freunde von mir sind oder von meinem Mann oder sogar gemeinsame Freunde, so habe ich kein Sitzfleisch, um über eine längere Zeit mit diesen Menschen zu kommunizieren, ohne das ich mir zwischendurch meine Auszeit nehmen muss, sprich, ich ziehe mich zurück, mal für einen kurzen Augenblick, mal für längere Zeit – je nachdem, wie „anstrengend“ dieser Besuch für mich ist.
Ich kann dies nicht genau in Zeiten angeben, aber im Durchschnitt sind es 2-3 Stunden, in denen ich durchaus ohne Probleme als Gastgeberin mithalten kann, bevor ich eine Auszeit benötige.
Einige bleiben erst gar nicht so lang, andere hingegen schon, aber das stört auch nicht weiter, so lange ich nicht aus meinen Routinen gerissen werde bzw. mir meine Auszeiten zwischendurch nehmen kann.

Gestern hatte ich den Fall, das sich bei mir Besuch angekündigt hatte, die mir bei Einrichtung meines neuen PCs behilflich sein wollten, da ich mit diesem für mich neuen Betriebssystem überhaupt nicht zurecht gekommen bin. Für dieses Hilfsangebot war ich sehr dankbar und ich war nicht nur gut vorbeireitet auf diesen Besuch – nein – ich habe mich sogar gefreut. Meine einzigen Bedenken waren halt, wie reagiert mein Sohn auf diesen Besuch – a) er kannte die Frau, da sie bereits schon einmal hier war und er sie kurz gesehen hat b) der Mann war für ihn ein Fremder und somit würde er höchstwahrscheinlich die ganze Zeit wieder nur in seinem Zimmer bleiben. Mein Sohn und ich haben nicht viele Gemeinsamkeiten, aber was Besuch angeht, da ist er noch ungeduldiger als ich (in Bezug auf: Wann gehen die denn wieder?!)
„Zum Glück“ hatten sich zwei Freunde bei ihm angemeldet, die mit ihm bei uns spielen wollten, so war die „Ich bleibe in meinem Zimmer, bis der Besuch wieder weg ist“-Phase schon einmal gerettet, denn mit Freunden geht er auch im Garten spielen bzw. lässt sich in den unteren Räumen blicken, auch wenn „fremder Besuch“ da ist und so war es dann auch.

Mein Besuch kam absolut pünktlich zur verabredeten Zeit, aber mein Sohn hatte es verpasst, rechtzeitig in sein Zimmer zu verschwinden. So saß er noch auf dem Sofa im Wohnzimmer, während der Besuch eintrat und dort blieb er dann natürlich auch erst einmal „stocksteif“ sitzen.
Nun musste er fast eine Stunde ausharren, bis seine Freunde vorbei kamen. Womit ich und wohl mein Sohn auch nicht gerechnet hat, war die Art, mit der dieser für ihn fremde männliche Besucher auftrat. Ich habe nicht alles mitbekommen, da ich mich zeitgleich um den Kaffee in der Küche gekümmert habe und alles auf die Terrasse gebracht habe. Hörte immer nur einzelne Gesprächsstücke, bekam aber mit, das mein Sohn tatsächlich auf Fragen antwortete.
Dann saßen wir erst einmal einige Zeit auf der Terrasse, tranken Kaffee und erzählten. Irgendwann kümmerten wir bzw. mein Besuch sich dann um meinen PC. Die Kinder, die zwischenzeitlich eingetroffen waren, spielten abwechselnd im Garten bzw. im Haus. Alles war in bester Ordnung.
Nach vier Stunden mussten die Kinder wieder nach Hause, mein Besuch war immer noch da.
Waren wirklich schon 4 Stunden vergangen? Ich hatte noch keine Auszeit, brauchte diese aber auch gar nicht.
Ich war mit meiner Besucherin so intensiv im Gespräch, das ich überhaupt nicht bemerkte, das ihr Mann und mein Sohn plötzlich verschwunden waren. Ich schaute kurz rein und hörte Stimmen aus dem Kinderzimmer. Mein erster Gedanke: Ich glaube, da haben sich zwei gesucht und gefunden :-)
Nach fast 8 ½ Stunden verabschiedete sich mein Besuch dann. Die Zeit verging im Flug und ich fühlte mich wohl, die ganze Zeit, keine Auszeit, keine Frage im Kopf: „Wann habe ich endlich Ruhe“.
Wobei nun nicht das Gefühl aufkommen soll, das ich mich extrem Unwohl fühle, wenn ich anderen Besuch hier habe. Auch dann gibt es dieses Momente, ich denen ich gerne in Gesellschaft bin, aber niemals auf diese lange Zeit gesehen. Hätte man mir irgendwann man gesagt, ich würde ohne Unterbrechung 8 ½ Stunden mit Menschen verbringen, ohne mir eine kurze Ruhezone zu suchen, ich hätte wohl den Vogel gezeigt.
Hier waren Menschen mit „Sitzfleisch“ und es störte mich nicht, ganz im Gegenteil, ich hätte noch länger sitzen bleiben können.

Kaum war der Besuch weg fing mein Sohn an und suchte das Gespräch mit mir. Aber anstatt mir mitzuteilen (wie es seine Art ist): „Endlich!!!!! Endlich wieder Ruhe“ hörte ich ein „Der ist mir total sympathisch und so cool“. Ich musste mir ein lautes Auflachen verkneifen. Dann sprudelte erst einmal alles aus ihm raus: „Der hat mir ganz tolle Sachen am PC erklärt und Tricks gezeigt und Tipps gegeben und meinen PC will er mir auch noch mal so richtig auf mich anpassen und und und..... Irgendwie ist der aber ganz schön durchgeknallt, aber cool durchgeknallt – ist der auch Autist?“ Ich schaute meinen Sohn nur an und musste lachen und hatte gerade ganz stark das Bedürfnis ihn einfach (ohne Vorankündigung) in den Arm zu nehmen. Er ließ es anstandslos zu und drückte mich ebenfalls. Dann antwortete ich ihm, während wir uns noch fest im Arm hielten:
„Ja, das sind beides Autisten, wie du und ich“ - Wir hatten noch eine lange Nacht vor uns, fanden nicht in den Schlaf und so durfte ich mir noch fast 3 Stunden, nachdem der Besuch weg war, anhören, was mein Sohn mit seinem „neuen Freund“ alles gemacht hat und es tauchte eine Frage auf, die bei meinem Sohn Seltenheitswert hat: „Wann kommen die wieder vorbei?“

Diese Frage konnte ich ihm nicht beantworten, aber ich hoffe, ganz ganz bald.


Samstag, 18. Juli 2015

Danke für deine Freundschaft - Offener Brief



Letztens hat eine inzwischen für mich lieb gewonnene Freundin einen offenen Brief auf ihren Blog gepostet, der mich sehr traurig gemacht hat.

Dieser Brief machte mich nicht nur traurig, sondern auch sehr nachdenklich und wieder mal musste ich feststellen, welch ein Glück ich in meinem Leben gehabt habe, das ich immer Menschen um mich herum hatte, die mich unbewusst beschützt und in ihr Leben integriert haben, damit mir so etwas nicht passiert und mich immer so angenommen und akzeptiert haben, wie ich bin. Von daher möchte auch ich hier nun einen offenen Brief schreiben, gerichtet an einen Menschen, der mein Leben geprägt und in die richtige Richtung geführt hat, denn ohne sie wäre ich  wohl nie wirklich im Leben angekommen.

Liebe T.,
heute haben wir kaum noch Kontakt zueinander, dennoch bist du für mich die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann. Ich kann es gar nicht wirklich in Worte fassen, bei dir durfte ich immer so sein wie ich bin. Du mochtest mich, ich war während der Schulzeit und auch darüber hinaus auch deine beste Freundin. 
Obwohl du in der Schule wohl das meist beliebteste Mädchen warst, bist du nie von meiner Seite gewichen. Wenn du von den Jungs gefragt wurdest, ob du mit Fußball spielen möchtest, hast du dies immer nur bejaht, wenn ich auch mitspielen durfte. Bei den Mädchen war es ähnlich, du hast immer so gehandelt und reagiert nach dem Motto:"Nichts ohne meine beste Freundin". Dank dir wurde ich in der Klasse einigermaßen integriert und war nicht wirklich eine Einzelgängerin, auch wenn ich mich immer so gefühlt habe. Dank dir wurde ich bei Mannschaftsspielen während des Sportunterrichtes nie als letzte gewählt. Du hast mich immer mitgezogen, egal was war. 

Während des Unterrichtes hast du es geschafft, in meinem Chaos Ordnung zu machen, so dass ich dem Unterrichtsstoff ohne große Probleme folgen konnte.
An Tagen, wenn du nicht in der Schule warst, klappte kaum etwas bei mir. Die Pausen waren für mich die Hölle, ich war allein unter vielen, im Unterricht konnte ich nicht wirklich folgen. Im Nachhinbein betrachtet, wäre ich ohne dich in der Schule gescheitert. Zur damaligen Zeit kannte man das Wort "Schulbegleiter/Integrationshelfer" noch nicht, aber du hast schon damals diese Rolle übernommen, ganz uneigennützig und selbstverständlich, einfach nur aus Freundschaft zu mir.

Unsere Freundschaft hat sehr lange angehalten. Ich muss heute immer wieder schmunzeln, wenn ich an deine erste Verabredung mit einem Jungen zurückdenke.Du warst total hibbelig im Bauch und hast mich zu diesem Date einfach mitgenommen. Den Blick von M. werde ich wohl nie vergessen :-)
Auch als du deinen Mann kennengelernt hast, war ich die erste, der du ihn vorgestellt hast. Momente, die mir sehr wichtig waren und mir für ewig in Erinnerung bleiben.

Danach haben wir uns aus beruflichen Gründen nur noch sehr selten gesehen. Aber als wir uns Monate nach deiner Hochzeit (die die nur in kleinen Rahmen mit Familie und enge Freunde gefeiert hast und auch ich mit anwesend sein durfte) zufällig begegnet sind und du mich gefragt hst, wie es mir ginge und ich dir mitgeteilt habe, das ich schwanger bin, hast du angefangen zu lachen, mich in den Arm genommen und mir erzählt, das du ebenfalls schwanger bist. Während der Schwangerschaft haben wir uns selten gesehen, aber viel miteinander telefoniert. Wir standen immer in Kontakt.

Unser wohl glücklichster und zeitgleich lustigster Moment war wohl die Zeit im Krankenhaus kurz nach der Entbindung meines ersten Kindes. Du hast mich am 2. Tag nach der Geburt mit deinem Mann besucht und am 3. Tag nach der Geburt kam dein Mann allein zu mir, ganz freudestrahlend und teilte mir mit, das du nur zwei Zimmer weiter liegst und ihr nun eine Tochter habt. Du warst immer bei mir - obwohl dein Entbindungstermin noch 5 Wochen vor dir lag. Deine Anwesenheit im Krankenhaus hat mir viel Sicherheit gegeben, ich war nicht mehr allein unter all diesen Fremden. 

Ganz stolz war ich, als du mich gefragt hast, ob ich Patentante werden möchte. 
Du hast mein Leben bereichert, mir Sicherheit geboten und mir aufgezeigt, was wahre Freundschaft bedeutet. Eine Freundschaft, die 30 Jahre bestand hatte, bis kurz nach der Geburt meines 2. Kindes.
Da trennten sich unsere Wege. Nicht wegen eines Streites oder irgendwelchen Unstimmigkeiten. Nein, ich zog mich zurück. Obwohl ich damals noch nichts vom Autismus meines Sohnes oder von meiner eigenen Diagnose wusste, das Leben mit meinem 2. Kind stellte bei mir alles auf den Kopf. 8 Jahre haben wir uns danach aus den Augen verloren, bis zu dem Tag, als eine Einladung zu einem Klassentreffen anstatt. Du hast mich angerufen und nachgefragt, ob ich hingehen würde, ansonsten würdest du dort auch nicht erscheinen. 

So verabredeten wir uns am Tage des Klassentreffens vor der Gaststätte und gingen gemeinsam zu diesem Wiedersehen aus der Schulzeit nach 31 Jahren. Und wieder hast du dort sofort die Rolle der Integrationskraft für mich übernommen. Du bist nicht von meiner Seite gewichen, selbst den Gang zur Toilette haben wir, wie früher, gemeinsam gemacht. Diese 8 Jahre Trennung hat nichts geändert an unserer Freundschaft. Ich habe dir auch sofort alles erzählt von der Diagnose meines Sohnes, du hast alles ganz wissbegierig aufgenommen. Auch als ich dir von meinem eigenen Verdacht auf Autismus erzählte, hast du so toll reagiert und gemeint, "dadurch ändert sich doch bei uns nichts. Für mich warst du nie anders oder seltsam. "

Danke!!!!

Ein großer Dank geht auch an meine Mama und meine Cousine. Euch werde ich auch noch einen Dankesbrief widmen.
Es gibt nur wenige Menschen, die mein Leben so geprägt haben, wie ihr es getan habt.
Neben meiner Familie die wichtigsten Menschen, denen ich begegnen durfte.

Donnerstag, 25. Juni 2015

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht

Im Moment läuft bei uns einfach gar nichts richtig rund (RW).
Zum ersten Mal seit ganz langer Zeit habe ich gemerkt, das mir „mein Autismus“ im Wege stand. Aber vielleicht sollte ich mal ganz von vorne anfangen…

Mein Mann ist nun seit 3 Monaten krankgeschrieben. Seine Sehnen in der rechten Schulter sind gerissen, die Muskulatur ziemlich angenagt. Nach 3 Monaten Schmerzen und zuhause rumsitzen war nun endlich der ersehnte OP-Termin. Die Ärzte konnten nichts mehr „flicken“ und mussten ihm eine komplett neue Schultergelenk-Prothese einsetzen.
Nun ist diese Klinik nicht bei uns im Ort, sondern ich muss täglich ca. 40 km fahren. Für mich schon eine Schwierigkeit, wenn es sich um eine unbekannte Strecke handelt. Zum Glück ist mein ältester Sohn den ersten Tag gefahren und so konnte ich mir die Strecke in Ruhe anschauen. Danach bot sich ein Arbeitskollege meines Mannes an, mich in die Klinik zu fahren. Somit konnte ich noch einmal in Ruhe die Strecke abchecken. Ab Tag drei hab ich es dann selbst gewagt und es hat super geklappt. Mein Mann war nach der OP in seiner Beweglichkeit noch stärker eingeschränkt, als vor der Operation. So fuhr ich diese Strecke also täglich, damit ich ihm bei der täglichen Körperpflege helfen konnte und auch ansonsten einfach für ihn da war. Denn diese Schultergelenk-Prothese bedeutet höchstwahrscheinlich eine Berufsunfähigkeit, so die Aussage der Ärzte.

Heute nun ist mein ältester Sohn mit in die Klinik gekommen, während der Kleine in der Schule war. Die Strecke kenne ich mittlerweile aus dem ff und so bin ich mit unserem Auto gefahren (zum Glück).

Irgendwie lief alles glatt, kaum Verkehr auf der Straße, so dass wir sehr gut durchgekommen sind, sofort Parkplatz direkt vor der Tür gefunden (die letzten Tage musste ich immer ca. 15 min. durch die Gegend fahren und suchen) und die Sonne schien endlich mal seit langer Zeit wieder. Es hätte nicht besser sein können bis zu diesem Moment…..

Nachdem ich meinem Mann mit der täglichen Körperpflege geholfen hatte, kam der Physiotherapeut rein, um ihn zur Therapie abzuholen. In dieser Zeit wollten mein Sohn und ich in der Cafeteria einen Kaffee trinken gehen. Wir benutzten den Weg vom Hintereingang der Klinik zur Cafeteria, dort, wo ich auch das Auto geparkt hatte. Auf Höhe des Autos bleib mein Sohn plötzlich stehen, krümmte sich. Ich schloss das Auto auf, so dass er sich erst einmal setzen konnte. Hier verkürze ich das ganze mal. Die Schmerzen wurden schlimmer, ich lief wieder in die Klinik, um einen Notarzt zu holen. Dort wurde mir gesagt, dass es eine orthopädische Klinik sei und sie für diese Fälle nicht zuständig sind. Dennoch kam ein Narkosearzt kurz mit raus, um sich meinen Sohn anzuschauen. Nachdem er festgestellt hatte, das der Puls normal und der Kreislauf stabil war, bat er mich in die nahegelegene Klinik zu fahren, da die Ärzte sich dort besser auskannten. Panik in meinem Körper. Ich soll/muss von meiner gewohnten Strecke abweichen und eine andere Klinik aufsuchen, die ich nicht kenne – Panik, Panik, Panik.
Ich weiß nicht, ob mein Sohn dies spürte und meine starre Haltung bemerkte, aber er sagte sofort, fahr mich einfach in unsere Klinik, die Strecke kennst du von hieraus. Ich halte es so lange noch durch.

Ich sofort ins Auto und ab ging es Richtung Heimat. Ich glaube, ich habe den Fuß gar nicht mehr vom Gas genommen. Meine Nervosität, die Sorge um meinen Sohn, Angst, jetzt etwas falsch zu machen – Himmel, warum konnte ich nicht einfach das Navi anschalten und diese mir unbekannte Klinik aufsuchen, die nur 5 Autominuten entfernt war. Ich hätte sofort Hilfe vor Ort gehabt. Aber nein…es ging nicht und hier habe ich mich zum ersten Mal, wirklich zum allerersten Mal geärgert, das „mein Autismus“ mir dies nicht erlaubt hat.

Ich habe in Rekordzeit die Notaufnahme unserer ortsansässigen Klinik erreicht und mein Sohn wurde sofort versorgt, ohne langen Erklärungsbedarf. Nach der Erstversorgung bin ich schnell in die Schule, um meinen anderen Sohn dort abzufangen und ihn bei einem Schulfreund unterzubringen, damit ich gleich wieder zurück in die Notaufnahme konnte. Zwischenzeitlich stand der Befund fest: Bauchspeicheldrüsenentzündung.
Nun habe ich zwei meiner liebsten Menschen in zwei verschiedenen Kliniken, aber ich weiß, dass ich dieses nun auch noch schaukeln werde.

Es nagt gerade alles an meiner Substanz, aber das schlimmste habe ich überstanden. Nun ist es wichtig, dass meine beiden Männer wieder schnell Gesund werden und dann schauen wir nicht mehr zurück. Wir sehen positiv in die Zukunft und ich werde weiter daran arbeiten, das ich in Notsituationen einfach anders, spontaner und selbstsicherer handeln muss. 

Dienstag, 28. April 2015

Brief-Aktion an einen 10-jährigen Autisten


Dieser Post ist einem 10 jährigen Autisten gewidmet, dem sein Autismus sehr peinlich ist und sich als defekt sieht. Hier noch einmal der Link zu dieser tollen Aktion: Brief an einen Autisten.
Mit diesem Brief möchte ich an der Aktion beitragen:

Hallo,
ich bin selbst Autistin und habe einen Sohn, der ebenfalls 10 Jahre alt ist und Asperger-Autist.
Als ich in deinem Alter war, fand ich alles doof, zumal ich damals auch noch nichts wusste von meiner Diagnose und überhaupt nicht verstehen konnte, warum alles so ist wie es ist. Hört sich jetzt sicher etwas kompliziert an, aber damals glaubte ich, an mir sei einfach alles verkehrt und ich war ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Ich probierte so viel aus und scheiterte genau so oft. Meine größte Leidenschaft war das Lesen und das ist bis heute auch so geblieben. Ich habe alles verschlungen, was es so zum Lesen gab und versuchte mich mit jedem Helden aus meinen Büchern zu identifizieren, aber meistens waren es nur die traurigen Kapitel, in denen ich Ähnlichkeiten herausfiltern konnte. Das liest sich jetzt vielleicht alles etwas traurig, aber so traurig und einsam war mein Leben nicht. Ich hatte noch drei Geschwister und meine Cousine, die mich immer wieder aus meinem für mich tristen Alltag herausholten und mich überall mit hinnahmen, so das ich nur wenig Zeit fand, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Einen richtigen Rückzugsort hatte ich damals auch nicht, da ich mir mein Zimmer noch mit meinen drei Geschwistern teilen musste und so baute ich mir eine kleine Höhle mit Decken, welches mein Reich war und wo ich meine Ruhe fand, wenn ich mal allein sein wollte. Mein bester Freund war ein kleiner Teddy, dem ich all meine Sorgen und Freuden mitteilen konnte. Er hörte mir zu und war immer zur Stelle, wenn ich ihn brauchte. In der Schule war ich nicht gerade die beste Schülerin, gehörte so immer zur „Mittelklasse“. Das Lernen ist mir immer sehr schwer gefallen, aber ich habe das Klassenziel immer mit müh und Not geschafft. Meine Lieblingsfächer waren Deutsch und Englisch. Sport war mir immer ein graus.

Mein Sohn, der ja in deinem Alter ist, ist ein kleiner Computer-Freak. Seine derzeitige Lieblingsbeschäftigung ist Minecraft (welches wohl auch sein derzeitiges Spezialinteresse ist). Es macht mir wahnsinnig viel Spass, ihm beim erkunden und bauen seiner Minecraft-Welt zuzuschauen. Ich finde es total faszinierend, mit welchem Eifer und Ehrgeiz er dabei ist. Bevor er sein Interesse für Minecraft entdeckt hat, war es Star Wars. Er hat alle Filme immer und immer wieder geschaut und konnte die meisten Dialoge schon mitsprechen. Er hat so viele Bücher von Star Wars gelesen und alles gesammelt, was er dazu so fand. Unter anderem natürlich auch die Force-Attax-Sammelkarten, die er dann mit seinen Freunden tauschen konnte.

Mein Sohn ist ein sehr guter Schüler, obwohl er nach eigener Aussage gar nicht gerne in die Schule geht und viel lieber seine „kostbare“ Zeit am PC verbringen würde. Aber das ist sicher eine ganz normale und gesunde Denkweise eines 10-jährigen Kindes. Computer gab es in meiner Kindheit noch nicht, aber ich bin der Meinung, wenn es das damals schon gegeben hätte, dann wäre ich wohl auch ein PC-Freak geworden. Dank des Computers bzw. des Internets kann man sich als Autist wunderbar mitteilen, seine Gedanken in Blogs niederschreiben, virtuelle Freunde finden und an tollen Aktionen teilnehmen, so wie diese Briefaktion.

Ich könnte jetzt noch stundenlang weiter schreiben, denn ich denke, ich hätte dir noch eine Menge zu erzählen, aber sicher erhältst du aufgrund dieser Aktion so viele Briefe, das du gar nicht mehr zu deinen Hobbys kommst und die sollten und dürfen auf gar keinen Fall zu kurz kommen.

Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass ich vielleicht auch mal etwas von dir zu lesen bekomme.

Zu guter Letzt möchte ich dir noch meinen Lieblingssatz auf den Weg geben: „Sei täglich der beste Autist, der du sein kannst“ – mehr geht nicht.

Montag, 27. April 2015

NT vs. Aspie – Ein Vergleich meiner Kinder


 Vor einigen Tagen sind mir beim Sortieren meiner Unterlagen zwei Ordner in die Hand „gefallen“, welche schon seit Ewigkeiten im Schrank stehen, aber keines Blickes mehr gewürdigt wurden. Es handelte sich um die Ordner meiner Kinder aus Kindergartenzeiten und Beginn der Schulzeit, also gesammelte Werke aus dieser Zeit sowie Notizen meinerseits in gewissen Zeiträumen und Situationen.  Da diese beiden Ordner gemustert sind und so gar nicht zu den anderen einheitlichen Ordner passen, habe ich sie rausgezogen zwecks umsortieren in passende Ordner, damit diese in der Reihe nicht mehr so „rausstechen“.
Während ich den Ordner von meinem ältesten Sohn in die Hand nahm und diesen öffnete, fiel mir sofort eine Notiz „ins Auge“, die gleich oben auf geheftet war. Ich las sie mir durch, schaute wieder auf die Beschriftung des Ordners und wunderte mich gleichzeitig, da die aufgeschriebenen „Merkmale“ doch sehr an meinen jüngeren Sohn erinnerten. Nun zog ich auch den Ordner von meinem autistischen Sohn heraus und verglich beide Kinder anhand meiner Aufzeichnungen. Beide Kinder haben einen Altersunterschied von 14 Jahren, da vergisst man schon einmal einige Kleinigkeiten und diese habe ich nun wieder etwas aufgefrischt. 

Ich war schon sehr erstaunt, wie sich beide Kinder einerseits anhand meiner Notizen, der Beurteilungen der Erzieher und  Lehrer ähnlich waren und andererseits, wie unterschiedlich beide die ersten 10 Jahre dennoch waren.

Beide Kinder besuchten den gleichen Kindergarten, aber es war nicht mein autistischer Sohn, der im ersten Jahr im Kindergarten Auffälligkeiten zeigte, sondern mein neurotypischer Sohn. Dieser fand im ersten Jahr keinen Anschluss zu den anderen Kindern, hatte keine Freunde, weinte ständig und bekam Wutanfälle, wenn ich ihn in den Kindergarten brachte. Mein kleiner Aspie zeigte keinerlei Reaktion, wenn ich ihn im Kindergarten ablieferte, fand schnell Freunde und war mit Freude dabei. Die Auffälligkeiten hatten wir ja überwiegend nur zuhause, da er dort all seine Wut raus lies. Gesprochen haben beide Kinder im Kindergarten sehr wenig. Mein NT-Sohn anfangs nur mit einer Erzieherin, mein Aspie mit seinem besten Freund und einer Erzieherin, ansonsten war er stumm.

Auch in der Grundschulzeit war es mein NT-Sohn, der wesentlich mehr Auffälligkeiten in der Schule zeigte, als unser Aspie. Zwar hat dieser während der Grundschulzeit mehr Freunde gefunden, ist aufgeschlossener geworden, aber er hatte seine Probleme mit den Lehrern, die ihn einfach nicht verstehen wollten. Dies änderte sich auch während der gesamten Schulzeit nicht, so dass wir ständig Briefe aus der Schule erhielten oder uns am runden Tisch wieder fanden.


Ich musste nun gerade feststellen, dass es mein Aspie wesentlich leichter hatte in den ersten 10 Jahren, als mein NT-Sohn. Jetzt mag es daran liegen, dass ich aufgrund der Diagnose gelernt habe, für die Rechte meines Kindes zu kämpfen, über mich hinausgewachsen bin und mich gerade selbst neu finde aufgrund meiner Diagnose und ich all dies früher nicht gesehen habe bzw. mich auch nicht getraut habe, eine andere Meinung als die anderen zu vertreten.  Es macht mich nun einerseits sehr traurig, dass mein NT-Sohn keine Kämpferin zur Mutter hatte und er genau das durchmachen musste, was uns Autisten sehr gerne nachgesagt wird. Er hat sehr viel gelitten unter seinem NT-Wesen. Zum Glück ist mein NT-Sohn heute inzwischen ein junger Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht und sein Leben sehr gut meistert und inzwischen auch nicht mehr unter seinem NT-Leben leiden muss :-)


Donnerstag, 16. April 2015

Täglich die beste Autistin, die ich sein kann

„Täglich die beste Autistin,
die ich sein kann“
(Quelle: LunA)

Schon seltsam, was diese Worte in Form eines Anhängers, den ich in Leipzig beim 2. Leipziger Autismustag am Infobörsenstand von „LunA“ fand jetzt gerade bei mir auslöst. Er motiviert mich gerade zu  und genau nach diesem Motto strukturiere ich gerade meinen Alltag, der mir nun jeden Tag neue Herausforderungen bringt.

Nachdem mein 10-jähriger Sohn seit November fast durchgehend aufgrund von Erkrankungen der Schule fern bleiben musste und wir erst Ende März die Ursache gefunden haben und nun alles nach einer OP wieder seinen normalen Weg geht und mein ältester Sohn aufgrund eines Leistenbruchs ebenfalls im März eine OP hatte, dachte ich, nun ist erst einmal Ruhe und ich kann mich wieder langsam auf meine gewohnten Routinen einlassen. Aber ich habe diesen Wunsch ohne meinen Mann gemacht J Nun habe ich ihn für mehrere Monate zuhause. Der OP-Termin rückt langsam näher und es wird ein schwieriger Eingriff, der uns/mich wieder vor viele neue Herausforderungen stellt. Gestern nach dem Befund wusste ich nicht, wo mir der Kopf steht, wie ich das alles bewältigen soll, meine Strukturen, Routinen, alles weg…..

Heute Morgen fiel mir dann dieser Anhänger von LunA ins Auge. Ich schaute drauf, las und war plötzlich motiviert. Genau so wird es nun angegangen. Niemand erwartet schließlich von mir, das ich alles gut meistere, aber ich werde mein Bestes geben, so lange ich es kann und wenn es nicht geht, dann habe ich es zumindest versucht, frei nach dem Motto „Täglich die beste Autistin, die ich sein kann“ – mehr geht nicht. Danke LunA


Sonntag, 12. April 2015

LunA – Meine Eindrücke



Mit 30 minütiger Verspätung habe ich mich am Samstag morgen um 06.30 Uhr in Begleitung meiner Nichte und meines Sohnes auf den Weg nach Leipzig gemacht, um am 2. Leipziger Autismustag „LunA – Leipzig und Autismus“ teilzunehmen.

Ich hatte zwar an diesem Tage einen Verkaufsstand mit meinem Schmuck vor Ort, schildere aber hier nur meine Wahrnehmungen, Gedanken und Eindrücke. 

Die Fahrt war relativ entspannend, da meine Nichte mit dem Auto gefahren ist und ich somit nur als Beifahrer fungierte. Weite Strecken, wie in diesem Fall mit etwas über 200 km Entfernung kann ich selbst nicht bewältigen und so war ich froh, eine Fahrt antreten zu können, die mir ohne Begleitung nicht möglich gewesen wäre.

Gegen 08.45 Uhr sind wir am Ziel, dem Mediencampus  der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig angekommen.



Größere Menschenmengen bewirken bei mir immer noch Angst und Unsicherheit und so war ich gleich zu Beginn erleichtert, dass alles noch sehr übersichtlich war und ich mir erst einmal einen großen Überblick der Umgebung und der Räumlichkeiten machen konnte.
Noch während ich mit Begleitung und Gepäck an der Anmeldung stand, wurde ich von meiner Freundin und Organisatorin von LunA erblickt und sofort ganz freudig begrüsst. Damit war für mich schon der 2. Punkt meiner Unsicherheit weggefallen. Denn wie immer bei solchen Veranstaltungen schaffe ich es nur selten bis gar nicht, auf die Leute zuzugehen und anzusprechen, obwohl ich diese flüchtig oder sogar gut kenne. Bei meiner Freundin wäre mir dies sicher nicht schwer gefallen, aber hier waren meine Ängste, dass ich sie aufgrund der Vielzahl an Menschen nicht sofort erkenne. Aber alles gut gelaufen J

Das es aber auch den anderen Fall geben kann, nämlich einen Menschen zu erblicken, den man bereits durch persönliche Gespräche, Vorträge und dem sozialen Netzwerk gut kennt und dennoch nicht schafft, ihn anzusprechen, ist ein Hindernis für mich, welches mich immer und immer wieder ärgert und mich auch im Nachhinein noch eine lange Zeit beschäftigt. Gerade weil man sich wünscht, eine Unterhaltung mit dieser Person zu führen, es aber nicht schafft, sich zu überwinden und diesen kleinen Schritt geht. Ein Schritt, den ich für mich nicht gehen kann. Nun schwirren mir wieder tausend Bilder einer eventuell möglichen Begegnung und Unterhaltung im Kopf herum und ich werde sie derzeit nicht los. Dieser Punkt war sehr enttäuschend für mich und passiert mir leider immer wieder. L


Von daher bin ich immer wieder froh, wenn Menschen in mein Leben treten, die ich aus dem sozialen Netzwerk schon richtig gut kenne und welche dann an solchen für mich sehr anstrengenden Tagen auf mich zukommen und ansprechen. In diesem Moment ist dann meine innere Blockade gebrochen und es kann eine nette Kommunikation starten. Danke an dieser Stelle an meine virtuellen Freunde, die ich nun persönlich kennen lernen durfte. Danke, dass ihr diesen Schritt in meine Richtung gemacht habt. Ein Schritt, der für viele keine Bedeutung hat und für mich eine immer wieder neue Erkenntnis bringt. Eine Erkenntnis, dass eine virtuelle Freundschaft auch im realen Leben einen guten Bestand haben kann.

„LunA“ war perfekt organisiert, es gab sehr interessante Vorträge mit anschließender Podiums-Diskussion, die ich leider nicht mit verfolgen konnte aufgrund meines Verkaufsstandes.
Von daher kann ich über die Vorträge keinen Bericht abliefern, aber dafür wird es andere Blogs geben, die dort ihre Eindrücke schildern werden, worauf auch ich schon sehr gespannt bin. Ich konnte/durfte dennoch einen Vortrag hören und allein dieser Vortrag "Echt autistisch! Mädchen und Frauen durchbrechen Klischees“ hat alle Erwartungen meinerseits übertroffen.
Es war nicht nur informativ, sondern man erkannte sich oftmals selbst wieder und wurde sofort in die eigene Kindheit mit all den Erinnerungen, die man hat, zurückversetzt. Dinge, die ich selbst so erlebt habe, aber trotz meiner Diagnose so noch gar nicht reflektiert hatte, wurden geweckt und ich wurde wieder mal zum nachdenken animiert. Danke Tina, für diesen eindrucksvollen Vortrag, der mit vielen Bildern noch intensivere Spuren bei mir hinterlassen hat.

Auch die Informationsstände waren gut gemischt und mit vielerlei Informationsbroschüren, Büchern, persönlichen Gesprächen und Beispielen zur besseren Veranschaulichung vertreten.

So anstrengend dieser Tag auch für mich persönlich war und ich erst wieder sehr langsam in meinen Alltag zurückkehren werde, genau so überwältigend waren alle Eindrücke und Wahrnehmungen, die auf mich „eingestürzt“ sind.

Ein Tag, für den es sich wirklich gelohnt hat, all diese Strapazen auf sich zu nehmen. Obwohl ich auch einen kleinen Kritikpunkt nicht außer Acht lassen möchte. Auch hierbei handelt es sich allein um meine Meinung und Wahrnehmung, aber Kritik sollte bei gut geplanten Veranstaltungen nicht abwertend angesehen werden, sondern einfach nur als gut gemeinten Hinweis. Für mich sind Fachtagungen und/oder Informationsveranstaltungen zum Thema Autismus in erster Linie für die breite Öffentlichkeit gedacht, damit jeder die Gelegenheit erhalten kann, daran teilzunehmen und ein gemeinsamer Austausch stattfindet, Informationen gesammelt werden können und somit zur Sensibilisierung und Aufklärung zu dieser Thematik beitragen. Dies ist bei einer m.E. extrem hohen Tagungsgebühr nicht jedem möglich und somit nur denen zugänglich, die das nötige Kleingeld haben oder aber nur einzelnen Personen und nicht für ganze Familien. Aufgrund eigener Erfahrung mit solch einer Veranstaltung denke ich, wenn die Eintrittsgelder weitaus geringer ausfallen würden (oder sogar komplett wegfallen), man somit eine weit aus größere Teilnehmerzahl erreichen und somit wesentlich mehr zum Thema beitragen. 

Nichts desto Trotz ist LunA immer eine Reise wert.


Vielen Dank an die Organisatoren und die vielen Helfer im Hintergrund. Einfach tolle Arbeit.

Samstag, 21. März 2015

Was soll nur aus mir werden?

Während der Schulzeit muss man sich ja schon einmal Gedanken machen, welchen Beruf man später erlernen und ausüben möchte.

Da ich ein sehr ruhiger und stiller Mensch bin und absolut nicht wortgewandt, musste es ein Beruf sein, bei dem ich nicht wirklich viel reden muss, zumindest nicht frei heraus.
In der 7. Klasse meldete ich mich in der Theater-AG an. Welcher Beruf hätte besser zu mir gepasst? Jeden Dialog, den ich sprechen werde, muss ich im Vorfeld auswendig lernen.  Texte auswendig lernen bereitete mir nie Probleme. Hier musste ich also richtig sein und schon einmal einen Vorgeschmack für den Berufsstart als Schauspielerin holen. Super, nie wieder Gedanken machen, womit ich eventuell ein Gespräch beginnen könnte, damit ich bei Unterhaltungen auch mal mitreden kann.
Ich bekam schnell die Hauptrolle von unserem ersten Theaterstück, da ich den Text recht zügig auswendig konnte und nur zwei weitere Teilnehmer der Gruppe sich für diesen Part beworben hatten. Das Theaterstück war ein voller Erfolg bei der Premiere in der Schule und schnell erhielten wir Einladungen zu weiteren Aufführungen. Nach der Premiere wurde ich als Hauptdarstellerin noch zu dem Stück befragt und ich musste/sollte vor dem Publikum frei heraus antworten. Das hat mir keiner im Vorfeld gesagt und so stand ich mal wieder wortlos auf der Bühne und bekam nur Wortfetzen ohne wirklichen Zusammenhalt raus. Ich spürte, wie mir der Schweiß runter lief, verspürte eine eisige Kälte, die mir am Körper entgegenschlug und die Stimmen hörte ich plötzlich nur noch aus weiter Ferne. Der Applaus riss mich für kurze Zeit wieder in die momentane Situation und ich sah, dass die ersten Besucher von ihren Stühlen aufstanden. Das war für mich das Zeichen, ebenfalls schnell das Weite zu suchen. Mein erster Gang war zu den Toilettenräumen. Ich war kurz davor, dass sich alles um mich herum drehte und ich hatte in der Vergangenheit gelernt, das ich mir erst einmal kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen lassen muss, damit mein Kreislauf wieder etwas in Wallung gerät. Oft habe ich diesen Gang nicht mehr geschafft und bin an Ort und Stelle einfach umgekippt. Wenn ich dies alles heute Revue passieren lasse, dann denke ich mal, das ich in diesen Momenten sehr oft einen Overload hatte. Nur wusste ich es zur damaligen Zeit nicht.
Ich trat mit der Theatergruppe noch drei weitere Male auf Veranstaltungen auf und jedes Mal musste ich im Anschluss noch Fragen beantworten. In diesen Momenten spürte ich, dass die Schauspielerei und die Theatergruppe doch nicht das richtige für mich war. Es waren zu viele Menschen an einem Ort, die Luft war unangenehm, meistens sehr drückend und ich musste jedes Mal auch noch eigene Worte mit einbringen. Somit verwarf ich den Gedanken an diesen Berufswunsch und suchte weiter.

Ein weiterer Beruf, der für mich in Frage kommen könnte, war die Schriftstellerei. Im TV lief gerade „Die Waltons“ und John-Boy schrieb ja täglich an den Lebensgeschichten seiner Familie. Auch konnte ich mich sehr oft in seine Gedankenwelt hineinversetzen. Aber was oder worüber könnte ich schreiben, damit meine Geschichten bzw. Bücher auch gekauft und gelesen werden? In meiner Familie gab es nicht so viele aufregende Dinge, wie bei den Waltons und Fantasie hatte ich irgendwie keine. So konnte ich mir keine Geschichten einfach ausdenken. Nach dem ersten Versuch einer von mir geschriebenen Liebesgeschichte aus der Sicht eines Teenagers hörte ich auch damit wieder auf. Ich hatte die Geschichte an einen Verlag geschickt und bekam kurze Zeit später mein Manuskript wieder zurück mit dem Hinweis, das eine Liebesgeschichte meistens ein“ happy-end“ hat und meine Geschichte war von Anfang bis Ende aus der Sicht eines sehr traurigen Teenagers geschrieben. Ich sollte mich später noch einmal melden, da der Ansatz der Schreiberei sehr viel versprechend sei, aber der Inhalt mehr Fantasie und Einfühlungsvermögen benötigte.

Langsam war ich mit meinem Latein am Ende, aber die Zeit drängte, denn ich musste anfangen mit Bewerbungen schreiben. Aber wo sollte ich mich bewerben? Und vor allem als was? Ich nahm beim Schulprojekt auch an einem Vorbereitungskurz für Berufseinsteiger teil und nach der Auswertung des Fragebogens hatte ich die meiste Punktzahl als Friseur. Hilfe, da musste man doch den ganzen Tag wildfremden Menschen am Kopf rumfuchteln, ständig mit den Kunden reden und dann diese vielen Spiegel. Überall müsste ich mich den ganzen Tag selber sehen und ertragen. Dieser Berufseinstiegstest ging bei mir voll daneben.

Ich versuchte mein Glück mit der Malerei. Mein Onkel baute mir eine Staffel und zum Geburtstag wünschte ich mir Leinwand, Ölfarben und Zubehör. Beim Malen verbringt man auch sehr viel Zeit mit sich allein. Das musste bzw. sollte es nun sein.
Aber noch bevor ich meine Malereiutensilien alle beisammen hatte und ich mir Gedanken machen konnte, was ich denn nun auf die Leinwand bringen könnte, war die Schulentlassung und ich konnte noch immer nichts vorweisen.
Die Freundin meines Bruders arbeitete beim Rechtsanwalt und diese Kanzlei suchte gerade eine Auszubildende. Mein Vater war begeistert und der Meinung, genau das richtige für mich. Da ich mich selten der Entscheidung meiner Eltern widersetzte und auch nichts Besseres wusste, versuchte ich mein Glück. Ich bekam die Ausbildungsstelle durch Vitamin B und durchlebte nun die fast schwersten Jahre. Die Ausbildung war für mich eines der schlimmsten Erfahrungen, die ich bis dato gemacht hatte. Von wegen Büroarbeit. Ich musste sehr viel Botengänge erledigen, kam immer wieder mit mir völlig fremden Menschen in Kontakt, fand keinen Anschluss in der Berufsschule unter meinen Mitschülern und eine meiner beiden Kolleginnen war der Teufel in Person. Sie ließ kein gutes Haar an mir und war
ständig damit beschäftigt, mich zu schikanieren und herumzuscheuchen.  Da wir nicht wirklich viel zu tun hatten, wurde ich zwecks Beschäftigung in ein anderes Unternehmen geschickt, wo ich Büroarbeiten erlernte, die aber nichts mit meinem zukünftigen Beruf zu tun hatten. So verbrachte ich fast 9 Monate in der Handwerkskammer und ein weiteres Jahr in einem Bauunternehmen im Büro. Ich erlernte meinen Beruf eigentlich nur in der Theorie in der Berufsschule und zwischendurch mal in der Kanzlei, wenn es wieder etwas zu tun gab.
Als die Abschlussprüfung nahte, spürte ich wieder stark zunehmende Nervosität. Zur Prüfung musste ich an eine mir fremde Berufsschule fahren, in einer fremden Stadt unter fremden Menschen.
Die Prüfung fand an einem kalten Januartag statt. Ich traf mich mit fünf weiteren Mitschülern am Bahnhof, damit wir gemeinsam in die 30-Kilometer entfernte Berufsschule fahren konnten.   Unterwegs der erste Schreck. Die Gleise waren vereist und wir wurden umgeleitet. Prüfungsbeginn war um 08.30 Uhr und zu dieser Zeit befanden wir uns noch immer auf halber Strecke auf einem fremden Bahnhof gut 20 Kilometer vom Ziel entfernt. Wir kamen um 10 Uhr in der Schule an und da die Prüfungen bereits begonnen hatten, wurden wir erst einmal separat in ein Klassenzimmer geleitet, wo wir keinen Kontakt zu den anderen Prüflingen haben dürften. Nach der Pause wurden wir mit in das Prüfungszimmer gebracht und mussten nun an der restlichen Prüfung teilnehmen. Während der Pausen wurden wir immer wieder separat untergebracht. Als die Prüfung regulär vorbei war, mussten wir die Anfangsprüfungen nachholen und während dieser Zeit verspürte ich wieder diesen Prozess in mir, als würde ich nicht wirklich anwesend sein. Stimmen hörte ich nur aus weiter Ferne, Schweiß lief mir von der Stirn, Kälte durchzog meinen Körper, mir wurde Schwarz vor Augen.
Als ich wieder zu mir kam, war die Prüfung vorbei und ich, wie sollte es auch anders sein, bei drei fehlenden Fächern, durchgefallen. Trotz alledem musste ich zwei Wochen später noch einmal zur mündlichen Prüfung erscheinen, den Zweck habe ich nicht verstanden, aber da ich immer alles so machte, wie es andere gerne hätten, war ich auch diesmal wieder ordnungsgemäß zur Stelle. Ich hatte ja nichts mehr zu verlieren, also konnte ich vollkommen frei von Ängsten in diese mündliche Prüfung, in der ich sowieso kein Wort herausbringen würde.
Die mündliche Prüfung verlief vollkommen anders ab, als ich es mir vorgestellt habe. Es mussten immer drei Prüflinge gleichzeitig hinein und sich vor dem Prüfungsausschuss hinsetzen. Ich erhielt sofort eine Frage und die Antwort schoss sofort aus mir heraus. Ich war total über mich selbst erschrocken. So ging es noch bei zwei weiteren Fragen und dann war die Zeit auch schon um. Nachdem alle Auszubildenden die mündliche Prüfung geschafft hatten, wurde noch einmal jeder einzeln hereingerufen. Natürlich erhielt ich ein Schriftstück, in dem drauf stand, dass ich die Prüfung nicht geschafft habe, aber für die mündliche Prüfung erhielt ich immerhin noch eine Note 2.
Mein Chef versuchte am nächsten Tag aufgrund meines Zusammenbruchs bei der Prüfungskommission eine Sonderregelung zu erteilen, damit ich die Prüfung schnellstmöglich nachholen konnte, anstatt regulär nach sechs Monaten. Dies wurde aber abgelehnt und so musste ich weitere 6 Monate in dieser Kanzlei bzw. bei dem Baustoffunternehmen arbeiten und kam in der Berufsschulklasse wieder mit neuen Mitschülern zusammen.
Die Nachprüfung schaffte ich diesmal ohne Schwierigkeiten, da ich die Pausen dazu nutzte, mich an einen ruhigen Ort zurückzuziehen und zu regenerieren, anstatt mit den anderen Prüflingen gemeinsam auf dem Pausenhof über die Prüfungsfragen zu diskutieren.

Vom Arbeitsamt wurde ich drei Monate nach meiner Prüfung in eine andere Rechtsanwaltskanzlei vermittelt. Beim Vorstellungsgespräch wurde mir zuerst die Frage gestellt, warum ich mich bei ihnen beworben habe. Da ich, wenn ich denn mal die richtigen Worte finde, wahrheitsgetreu antwortete, sprudelte es ohne lange nachzudenken einfach aus mir raus: „Ich habe mich ja nicht aus freien Stücken beworben, ich wurde hierher vermittelt“. Sie suchten eine Notarfachangestellte und befragten mich, was ich im Notariat alles während meiner Ausbildungszeit gelernt habe. Wieder antwortete ich ganz ehrlich mit „Nur Urkunden nähen“. Ich hatte nicht vor, dort anzufangen und musste von daher auch nicht lange nach Worten suchen, damit ich nicht falsch antwortete. Ich glaubte nach dem Vorstellungsgespräch, das ich diesen Ort nicht noch einmal wieder sehen müsste und ging gut gelaunt nach Hause. Am nächsten Tag erhielt ich den Anruf, dass ich zum 01.06. anfangen könnte. Da es bis zu diesem Termin noch etwas hin war, fing ich an, weitere Bewerbungen zu schreiben. Büroarbeit machte mir inzwischen Spaß, aber ich brauchte Ruhe zum arbeiten und in einem Großraumbüro war ich nicht richtig aufgehoben. Von daher suchte ich nach einem Job mit wenig Kollegen. Ich fand nichts und begann am 01.06.  in dieser Kanzlei an zu arbeiten. Nach drei Jahren in dieser Kanzlei wurde ich das erste Mal schwanger. Nach einer 15-monatigen Elternzeit ging ich wieder zurück in die Kanzlei und arbeitete von da an halbtags weiter.  Ich hatte in dieser Kanzlei zwei Chefs und diese verstanden sich zunehmend schlechter. Sie wollten sich trennen und so wurde ich gefragt, ob ich mir einen Neuanfang in einem anderen Büro vorstellen könnte. Konnte ich natürlich nicht, aber da mein Vorgesetzter und meine Kollegin, mit der ich mich in der Zwischenzeit angefreundet hatte, ebenfalls mit ins neue Büro gingen, stand mein Entschluss fest und ich wechselte ebenfalls mit viel Bauchschmerzen vor dem neuen Unbekannten, was nun auf mich zukommen sollte. In der neuen Kanzlei blieb ich nun weitere 11 Jahre, bis mir aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt wurde. Es war genau der Zeitpunkt, in dem mein zweiter Sohn kurz vor seiner Diagnose stand und ich mit meinen Nerven eh schon am Ende war.
Ich habe lange gerechnet, ob wir ohne meinen Verdienst weiterhin gut auskommen und ich eventuell gar nicht mehr arbeiten gehen muss. Laut meiner Berechnung sah es gut aus und so entschloss ich mich, künftig nur noch für meine Familie da zu sein.

Aufgrund der Diagnose meines Sohnes machte ich mich nun langsam mit dem Thema Autismus vertraut und schneller als ich glaubte, war ich wieder im „Arbeitsleben“ drin. Ich übernahm ehrenamtlich einen Moderatorenjob in einem  Autismus-Forum und ein Jahr später gründete ich vor Ort eine eigene Selbsthilfegruppe für Eltern autistischer Kinder. Diese ehrenamtlichen Arbeiten bereiteten mir Freude und zum ersten Mal in meinem Leben machte ich Dinge, die ich mir selbst aussuchte. Da in unserem Forum immer wieder die Fragen auftauchten, warum es nur in Amerika Autismusschmuck gibt und ob jemand vielleicht noch Shops kennt, die günstiger sind, überlegte ich mir, eigenen Schmuck aus dem Bereich Autismus herzustellen. Ich fand ein neues Hobby und mein selbst hergestellter Schmuck fand schnell Anklang im Forum. Da ich es anfangs nur hobbymäßig ausübte, aber meine Ideen und die Nachfragen gar kein Ende nahmen, meldete ich ein Gewerbe an und fertige nun Bekenntnisschmuck an. Nach langer Zeit habe ich meine Familie, meine Interessen und meine Arbeit unter einen Hut bringen können und empfinde endlich Freude am Leben.