Vor einigen
Tagen sind mir beim Sortieren meiner Unterlagen zwei Ordner in die Hand „gefallen“,
welche schon seit Ewigkeiten im Schrank stehen, aber keines Blickes mehr
gewürdigt wurden. Es handelte sich um die Ordner meiner Kinder aus
Kindergartenzeiten und Beginn der Schulzeit, also gesammelte Werke aus dieser
Zeit sowie Notizen meinerseits in gewissen Zeiträumen und Situationen. Da diese beiden Ordner gemustert sind und so
gar nicht zu den anderen einheitlichen Ordner passen, habe ich sie rausgezogen
zwecks umsortieren in passende Ordner, damit diese in der Reihe nicht mehr so „rausstechen“.
Während ich
den Ordner von meinem ältesten Sohn in die Hand nahm und diesen öffnete, fiel
mir sofort eine Notiz „ins Auge“, die gleich oben auf geheftet war. Ich las sie
mir durch, schaute wieder auf die Beschriftung des Ordners und wunderte mich
gleichzeitig, da die aufgeschriebenen „Merkmale“ doch sehr an meinen jüngeren
Sohn erinnerten. Nun zog ich auch den Ordner von meinem autistischen Sohn
heraus und verglich beide Kinder anhand meiner Aufzeichnungen. Beide Kinder
haben einen Altersunterschied von 14 Jahren, da vergisst man schon einmal einige
Kleinigkeiten und diese habe ich nun wieder etwas aufgefrischt.
Ich war
schon sehr erstaunt, wie sich beide Kinder einerseits anhand meiner Notizen,
der Beurteilungen der Erzieher und Lehrer ähnlich waren und andererseits, wie
unterschiedlich beide die ersten 10 Jahre dennoch waren.
Beide
Kinder besuchten den gleichen Kindergarten, aber es war nicht mein autistischer
Sohn, der im ersten Jahr im Kindergarten Auffälligkeiten zeigte, sondern mein
neurotypischer Sohn. Dieser fand im ersten Jahr keinen Anschluss zu den anderen
Kindern, hatte keine Freunde, weinte ständig und bekam Wutanfälle, wenn ich ihn
in den Kindergarten brachte. Mein kleiner Aspie zeigte keinerlei Reaktion, wenn
ich ihn im Kindergarten ablieferte, fand schnell Freunde und war mit Freude
dabei. Die Auffälligkeiten hatten wir ja überwiegend nur zuhause, da er dort
all seine Wut raus lies. Gesprochen haben beide Kinder im Kindergarten sehr
wenig. Mein NT-Sohn anfangs nur mit einer Erzieherin, mein Aspie mit seinem
besten Freund und einer Erzieherin, ansonsten war er stumm.
Auch in der
Grundschulzeit war es mein NT-Sohn, der wesentlich mehr Auffälligkeiten in der
Schule zeigte, als unser Aspie. Zwar hat dieser während der Grundschulzeit mehr
Freunde gefunden, ist aufgeschlossener geworden, aber er hatte seine Probleme
mit den Lehrern, die ihn einfach nicht verstehen wollten. Dies änderte sich
auch während der gesamten Schulzeit nicht, so dass wir ständig Briefe aus der
Schule erhielten oder uns am runden Tisch wieder fanden.
Ich musste
nun gerade feststellen, dass es mein Aspie wesentlich leichter hatte in den ersten
10 Jahren, als mein NT-Sohn. Jetzt mag es daran liegen, dass ich aufgrund der
Diagnose gelernt habe, für die Rechte meines Kindes zu kämpfen, über mich
hinausgewachsen bin und mich gerade selbst neu finde aufgrund meiner Diagnose
und ich all dies früher nicht gesehen habe bzw. mich auch nicht getraut habe,
eine andere Meinung als die anderen zu vertreten. Es macht mich nun einerseits sehr traurig,
dass mein NT-Sohn keine Kämpferin zur Mutter hatte und er genau das durchmachen
musste, was uns Autisten sehr gerne nachgesagt wird. Er hat sehr viel gelitten
unter seinem NT-Wesen. Zum Glück ist mein NT-Sohn heute inzwischen ein junger
Mann, der mit beiden Beinen im Leben steht und sein Leben sehr gut meistert und
inzwischen auch nicht mehr unter seinem NT-Leben leiden muss :-)
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