Freitag, 5. Februar 2016

Der runde Tisch und die Folgen



Lange hat es gedauert, bis wir endlich einen Termin für den runden Tisch erhalten haben. Eigentlich sollte diese Gesprächsrunde in der Schule noch vor den Weihnachtsferien erfolgen. Aber trotz mehrfacher Nachfrage wurde man immer wieder vertröstet, da es aus Gründen, die für mich nicht nachvollziehbar sind, nicht passte.
Dann endlich, nach 4 Monaten Schulzeit, erhielten wir einen Termin für Anfang 2016.
Dieser Termin wurde aber kurzfristig wieder abgesagt und ein neuer Termin angesetzt, zumindest ging ich davon aus, da die Schule diesen Termin unserem Therapeuten mitteilte. Ich hörte nichts von der Schule. Kurz vor diesem Termin fragte ich dann schriftlich nach und erhielt als Antwort, das mir dieser Termin nicht mitgeteilt wurde, da er wieder verlegt werden müsse. Es war ein ewiges HickHack, aber diesmal wollte ich mich nicht vertrösten lassen. Also schrieb ich eine Mail an die Integrationslehrerin mit gleichzeitigen Kopien an unsere Therapeuten, der Förderschullehrerin, Klassenlehrer, Rektor der Schule, Elternvertreter. In dieser Mail schrieb ich über meine Enttäuschung und meine Sorgen, da bereits die ersten Zeugnisse anstanden und wir noch nichts erreicht hatten, außer ein Kind, welches der Meinung war, falsch an dieser Schule zu sein, sich unverstanden fühlte, und täglich mit neuen Enttäuschungen aus der Schule heim kam. Ich bat in dieser Mail nun kurzfristig um Anberaumung eines neuen Termins sowie Beachtung des besprochenen Nachteilsausgleichs für die mündliche Note im Halbjahreszeugnis (Zeugniskonferenzen standen zu dieser Zeit bereits an). Als weiteren Satz erwähnte ich noch, das ich trotz dieser ganzen Missverständnisse und Umstände an das Konzept der Schule bezüglich Umsetzung von Integration glaube, aber vor lauter Enttäuschung am liebsten an die Presse bzw. an die Landesschulbehörde herangetreten wäre, da ich derzeit kein Licht am Ende des Tunnels sehen konnte.
Die Mail schlug scheinbar ein, denn schon am nächsten Tag erhielt ich eine Antwort der Integrationslehrerin, das der zuletzt abgesagte Termin nun stattfinden werde. Weiterhin erhielt ich einen Anruf der Klassenlehrerin, die sich bei mir entschuldigte für diese ganzen Vorkommnisse und weiterhin mitteilte, das sie jedem geschriebenem Wort in meiner Mail zustimmt und sie sich viel Schuld zuwies, das es soweit gekommen ist.

Der runde Tisch verlief dennoch anders als erwartet. Zu meiner positiven Verwunderung waren bis auf zwei Fachlehrer alle Lehrkräfte anwesend. Das uns gleich zu Beginn ein Zeitlimit von 45 Minuten mitgeteilt wurde, da dann alle wieder in den Unterricht gehen müssen, setzte mich persönlich enorm unter Druck. Zum Glück hatte ich gute Unterstützung dabei. Nachdem einige Defizite unseres Sohnes angesprochen und mit Fallbeispielen belegt wurden, kamen Seiten der Lehrkräfte Vorschläge und Fragen bezüglich zukünftiger Umsetzung. Ich hatte den Eindruck, auch aufgrund häufiger Nachfragen, das dieses Gespräch gefruchtet hat und ging mit einem guten Bauchgefühl aus diesem Gespräch.

Zwischenzeitlich sind gut drei Wochen vergangen und ich verspüre keinerlei Veränderungen. Angefangen mit der Zusage, das der Nachteilsausgleich, welcher schriftlich noch nicht beantragt wurde, dennoch im Zeugnis schon einmal berücksichtigt wird und ich dies nicht feststellen kann. (Schriftlich lieferte unser Sohn meistens eine Zweiernote ab, im Zeugnis taucht in diesen Fächern aber die 4 auf, Mappen wurden nicht eingesammelt und benotet, also basieren die Zensuren nur auf mündlich und schriftlich). Über das Arbeitsverhalten im Zeugnis möchte ich mich nicht äußern, da es sich mit den Zensuren und den Aussagen der Lehrer widerspricht.

Der von unserer Seite angesprochene TimeTimer, der für die gesammte Klasse nur von Vorteil sein kann und in der Schule sogar vorhanden ist, wurde positiv aufgenommen und sollte in der Klasse eingeführt werden. Fazit nach drei Wochen: In der Klasse ist noch kein TimeTimer angekommen, die Deutschlehrerin wendet ihn aber nach eigener Aussage bereits an. Nach Aussage einiger Mitschüler schaut sie nun regelmäßig auf ihre Armbanduhr und gibt die wohl noch zur Verfügung stehende Zeit mündlich an – Hier mal ein kräftiger Applaus für diese geniale Umsetzung *Ironie off*

Weiterhin wurde der Ablauf von Gruppenarbeit in der Klasse angesprochen und wie dies bei unserem Sohn umgesetzt werden kann, damit er hier ebenfalls gut mitarbeiten kann. Unser Vorschlag, der auch von den Lehrkräften notiert und angenommen wurde: Unser Sohn kann in Gruppen gut mitarbeiten, sofern die Gruppe für ihn akzeptabel ist, d.h. eine reine Jungsgruppe (was in dieser Klasse nicht schwierig ist, da diese aus 20Jungs und nur 10 Mädchen besteht). Die Umsetzung zwei Tage später sah dann so aus: Gruppenarbeit in Biologie, unser Sohn kam in eine Gruppe mit zwei Mädchen.

Aber ich muss auch ein Lob aussprechen, denn die Umsetzung mit der mündlichen Mitarbeit klappt bisher super. Vorschlag einer Lehrkraft: Ob unser Sohn seine Hausaufgaben evtl. mündlich vortragen kann und dies somit in die mündliche Benotung mit einfließen kann, wurde meinerseits für gut empfunden und sollte versuchsweise auch umgesetzt werden. Dieser Vorschlag wurde angenommen und bereits mehrfach angewendet. Genau an diesen Tagen kam unser Sohn sehr stolz aus der Schule, da er endlich auch mal Lob erhalten hat. Hierfür geht ein Danke an die Lehrkräfte, die dies möglich gemacht haben.

Ein weiterer Punkt waren größere Veränderungen in Schulabläufen, die rechtzeitig bekanntgegeben werden, damit wir unseren Sohn gut darauf vorbereiten können. Dies wurde auch verständlich an Fallbeispielen dargelegt und nickend abgesegnet. Nun ist unser Sohn seit Beginn des 2. Halbjahres krank, d.h. am ersten Schultag war er noch anwesend, seitdem liegt er mit einem grippalen Infekt zuhause im Bett – was meiner Meinung nach nur der Auslöser für das derzeitige Unwohlsein in der Schule ausmacht.
Nächste Woche beginnt in der Schule für die Jahrgänge 5-8 die Präventionswochen. Eine Erläuterung, was dies ist bzw. welche Auswirkungen dies auf einen veränderten Stundenplan hat, weiß ich noch nicht, hier liegen uns (noch) keine Infos vor. Aber ich habe von einer Mutter eines Mitschülers nun erfahren, das am Dienstag und Mittwoch nächster Woche der Stundenplan komplett umgestaltet wurde, so findet z.B. am Mittwoch ein kompletter Sporttag statt (Selbstverteidigung). Näheres weiß ich nicht und von daher kann ich unseren Sohn auf diese Veränderung auch nicht richtig vorbereiten, aber gerade bezgl. Sport hatten wir das Thema am runden Tisch extra angesprochen.

Ich habe gerade das mulmige Gefühl, das wir entweder bei diesem Gesprächstermin gegen eine Wand gesprochen haben oder aber in einer nicht verständlichen Sprache.

Ich bin gerade an einem Punkt angekommen, wo mir die Kraft fehlt. Wir haben in nächster Zeit Elternabend und in einigen Wochen Elternsprechtage. Mir fehlt einfach die Kraft, ich schaffe es gerade nicht, mich aus diesem Tief selbst herauszuziehen und so habe ich die Anmeldefrist für den Elternsprechtag verstreichen lassen. Es kommt mir gerade so sinnlos vor, dabei weiß ich selber, wie wichtig dies gerade jetzt wäre.
Leider lassen es meine derzeitigen anderen Baustellen nicht zu, das ich Zeit finde zum Kraft tanken und ich spüre gerade, wie die „Löffeltheorie“* mir gerade meinen letzten Löffel abverlangt hat, obwohl der Tag noch nicht einmal richtig begonnen hat (Aktuelle Zeit während ich schreibe: 05.40 Uhr).

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*Hier noch eine Anmerkung bzw. Erzählung über die Löffeltheorie, die auch sehr gut bei Autismus ihren Platz findet. Im Original stammt diese Erzählung von Christine Miserandino, die unter der Krankheit Lupus leidet.




DIE LÖFFEL THEORIE


Meine beste Freundin und ich trafen uns wie immer einmal im Monat zum Mädels-Abend in einem kleinen Cafe. Wie die meisten Mädels in unserem Alter verbrachten wir die Zeit damit, uns über Männer und die neueste Mode und all dieses unwichtige Zeug zu unterhalten, wirklich ernsthaft wurden unsere Gespräche selten, wir hatten einfach nur Spaß und lachten viel zusammen.

Als ich ein paar meiner Tabletten nach dem Essen einnahm, so wie normalerweise, schaute sie mir zu, ohne das Gespräch fortzuführen. Dann fragte sie mich einfach so, wie es sich anfühlen würde, Lupus zu haben und krank zu sein wie ich. Ich war überrascht, nicht nur wegen dieser plötzlichen Frage, sondern auch, weil ich annahm, sie wüsste längst alles, was es über Lupus zu wissen gibt. Sie war bei meinen Besuchen in der Klinik dabei, hatte meine Müdigkeitsanfälle mitgemacht, gesehen wie ich mich in fremden Badezimmern übergeben musste und mich zahllose Male getröstet, wenn ich vor Verzweiflung geheult hatte. Was gab es da noch zu wissen?

Ich begann über die Medikamente zu sprechen, die Schmerzen und vieles mehr, aber sie schien mit meiner Antwort nicht zufrieden zu sein. Sie schaute mich mit diesem Blick an, mit dem kranke Menschen oft angesehen werden, pure Neugier über etwas, das man sich als gesunder Mensch nicht vorstellen oder verstehen kann. Sie fragte mich, wie es sich anfühlen würde, nicht physisch, sonder grundsätzlich, ich zu sein, ich und der Lupus.

Ich versuchte Haltung zu bewahren und schaute mich fragend um… Ich versuchte die richtigen Worte zu finden. Wie sollte ich eine Frage beantworten, die ich nicht einmal für mich selbst wirklich beantworten konnte? Wie sollte ich jedes Detail von jedem Tag an dem man als Betroffener mit der Krankheit kämpft, wiedergeben? Und wie sollte ich die Emotionen erklären, die ein Kranker jeden Tag durchlebt? Ich hätte einfach einen Witz darüber machen können, so wie schon oft, aber wenn ich nicht mal meiner besten Freundin erklären kann, was es heißt mit Lupus zu leben, wie sollte ich es dann jemals einem anderen Menschen erklären können? Ich musste es zumindest versuchen.

In diesem Moment wurde die Löffel Theorie geboren. Ich schnappte mir schnell alle Löffel auf dem Tisch, ich griff sogar nach den Löffeln auf anderen Tischen. Ich sah sie an und sagte: „Bitte sehr, stell dir vor, jetzt hast du Lupus.“ Sie sah mich etwas verwirrt an, so wie jeder, dem aus dem nichts eine handvoll Löffel gegeben wird.

Ich erklärte ihr, dass der Unterschied zwischen einem kranken und einem gesunden Menschen darin besteht, Entscheidungen zu treffen. Oder besser gesagt darin, sich bewusst über Dinge Gedanken machen zu müssen, während der Rest der Welt dies nicht tun muss. Die Gesunden haben sozusagen den Luxus ihr Leben ohne solche Entscheidungen leben zu können, eine Tatsache, die vielen nicht bewusst ist und die viele nicht zu schätzen wissen.

Die meisten Menschen starten den Tag mit einer Unmenge an Möglichkeiten und Energie um das zu tun, was sie gerade möchten, besonders junge Menschen. Für die meiste Zeit müssen sie sich über Folgen ihrer Entscheidungen keine großen Gedanken machen. Und um diesen Punkt verständlich zu machen, benutzte ich die Löffel. Ich wollte, dass meine Freundin etwas Reelles in den Händen halten konnte, was ich ihr wegnehmen würde, da die meisten Menschen nach einer schwerwiegenden Diagnose den Verlust des „Lebens, wie sie es kannten“ verspüren. Wenn ich ihr die Löffel wegnehmen würde, dann hätte sie eine Vorstellung davon, wie es sich anfühlt, wenn jemand oder etwas wie der Lupus plötzlich die Kontrolle übernimmt.

Ich bat sie, die Löffel zu zählen und sie fragte warum. Daraufhin erklärte ich, dass man als gesunder Mensch unbewusst davon ausgeht, dass man einen unerschöpflichen Nachschub an „Löffeln“ zur Verfügung hat. Aber wenn du nun deinen Tag planen würdest, dann müsstest du genau bescheid wissen, wie viele Löffel dir am Anfang zur Verfügung stehen. Es gibt keine Garantie, dass dir nicht ein paar Löffel auf dem Weg verloren gehen, aber zumindest hast du eine ungefähre Idee, mit wie vielen du beginnst. Sie zählte 12 Löffel. Sie lachte und sagte sie wolle mehr haben. Ich enttäuschte sie und sagte Nein, und wusste, dass meine Idee funktionieren würde, obwohl wir noch nicht einmal begonnen hatten. Ich wollte seit Jahren mehr Löffel und hatte bis jetzt noch keinen Weg gefunden, mir neue zu verschaffen, warum sollte sie dann mehr bekommen? Ich sagte ihr auch, dass sie sich nun immer bewusst sein müsste, wie viele Löffel sie noch habe und sie dürfte auch keine fallen lassen, denn ab jetzt würde sie nie vergessen, dass sie Lupus hat.

Ich bat sie, die Dinge aufzuzählen, die sie den Tag über verrichtet, auch die unwichtigen. Sie begann sofort loszuplappern und nannte Arbeit und Haushalt und Freizeitaktivitäten und so weiter. Ich erklärte Ihr, dass sie jede einzelne Sache einen Löffel kosten würde. Als sie ihre Aufgaben zeitlich ordnete und mit dem „Fertigmachen für die Arbeit“ anfing, unterbrach ich sie und nahm einen Löffel weg. Ich sagte: „Nein, du machst dich nicht einfach für die Arbeit fertig. Du wachst auf und realisierst, dass du nach 8 Stunden Schlaf immer noch müde bist, du schaust auf die Uhr und bemerkst, du bist spät dran. Du stehst langsam auf und machst dir erstmal einen Snack bevor du irgendwas normales anderes machen kannst, damit dein Kreislauf in Schwung kommt und du deine Medikamente nehmen kannst. Denn wenn du das nicht tust, kannst du gleich alle deine Löffel abgeben und ein paar für den nächsten Tag noch dazu.“ Ich nahm ihr einen weiteren Löffel ab und sie realisierte, dass sie sich noch nicht einmal angezogen hatte. Duschen kostete auch eine Löffel, nur fürs Haare waschen und Beine rasieren. Alles mögliche aus dem Schrank raus zu holen und eine Kleiderwahl zu treffen würde eventuell mehr als einen Löffel kosten, aber ich wollte sie nicht gleich überfordern. Ich erklärte ihr also, wie jede Aufgabe in kleinere Schritte zerlegt werden müsste und viele Details bedacht werden müssen. „Du ziehst dir nicht einfach etwas an, du hast Lupus und musst das gut durchdenken.“ Ich erklärte ihr, wenn an dem Tag meine Gelenke schmerzen ist alles mit Knöpfen aus dem Rennen; wenn die Sonne zu stark scheint, brauche ich was mit langen Ärmeln, aber nicht zu warm; wenn ich mich kränklich fühle, muss ich für Kälte- und Hitzewellen gleichermaßen ausgerüstet sein. Extra Zeit im Bad, um mich präsentable herzurichten, und noch mal 5 Minuten, weil ich mich ärgere, dass die Prozedur wieder so lange gedauert hat.

Ich glaube sie begann zu begreifen, dass sie theoretisch noch nicht einmal auf der Arbeit war und nur noch 6 Löffel übrig hatte. Ich erklärte ihr, dass es wichtig ist, den restlichen Tag bedacht zu planen, denn wenn deine Löffel weg sind, sind sie weg. Manchmal kannst du dir von dem morgigen Vorrat etwas „ausborgen“, aber stell dir vor, wie schwierig dann der nächste Tag werden wird, wenn du den Verlust ausbalancieren musst. Ich musste ihr auch deutlich machen, dass ein Lupuspatient immer mit der Gefahr rechnen muss, dass er sich morgen eine Erkältung holt oder eine Infektion einfängt oder ähnlich Gesundheitsgefährdendes passiert. Also willst du nicht mit wenig „Löffeln“ auskommen müssen, da du nie weißt wann du sie mal brauchst. Ich wollte sie nicht deprimieren, aber für mich bedeutet ein normaler Tag, dass ich immer für den schlimmsten Fall ausgerüstet sein will.

Wir gingen den restlichen Tag durch und ihr wurde klar, dass ein ausgefallenes Mittag einen Löffel kosten würde oder sich zu lange am Computer zu konzentrieren, genauso wie 10 Minuten auf der Fahrt nach Hause im überfüllten Bus zu stehen. Jetzt war sie gezwungen, ihre Entscheidungen zu überdenken und anders zu handeln, als sie es gewohnt war. Hypothetisch gesehen, musste sie viele ihrer geplanten Besorgungen streichen, um abends genug „Löffel“ für das Abendbrot und das Zubettgehen übrig zu haben.

Als wir am Ende ihres „Lupus-Tages“ angekommen waren sagte sie, sie hätte sicher Hunger. Ich zählte zusammen und antwortete ihr, dass sie nur noch zwei Löffel übrig hätte. Wenn sie jetzt kochen wolle, hätte sie nicht mehr genug Energie um den Abwasch zu machen, würde sie außerhalb essen, wäre sie eventuell zu müde um sicher nach Hause zu kommen. Ich sagte ihr auch, dass ich gar nicht dazu gerechnet hätte, dass sie nach dem Arbeitstag wahrscheinlich so kaputt wäre, dass Abendessenkochen gar nicht in Frage kommen würde. Also entschied sie sich für eine schnelle Tütensuppe. Mit einem Löffel übrig könnte sie jetzt noch etwas leichte Hausarbeit machen, mit ihrem Freund eine Runde Karten spielen oder ein Bad nehmen, aber sie könne nicht alles tun, sie müsse sich entscheiden.

Ich hatte sie nur selten sehr emotional gesehen und ich wollte sie auch nicht zu sehr beunruhigen, aber ich hatte nun das Gefühl, dass ich etwas erreicht hatte und sie mich besser verstehen würde. Sie fragte mich leise „Wie schaffst du das nur? Machst du das wirklich jeden Tag durch?“ Ich erzählte ihr, dass manche Tage leichter sind, an manchen geht alles etwas schwerer und an einigen Tagen habe ich mehr Löffel als an anderen. Aber ich kann diesen Umstand nie ungeschehen machen und ich kann den Lupus nie vergessen. Ich gab ihr einen Löffel, den ich in Reserve hatte und sagte: „Ich habe gelernt mein Leben zu leben und immer einen Reserve-Löffel in der Tasche zu haben. Man muss immer vorbereitet sein.“

Es ist schwer, eigentlich das schwerste für mich, lernen zu müssen, dass man einen Gang zurück schalten muss und nicht all das tun kann, was man möchte. Ich kämpfe jeden Tag darum. Ich hasse es, mich ausgeschlossen zu fühlen. Ich hasse es mich dafür entscheiden zu müssen zu hause zu bleiben und nicht all die Dinge erledigen zu können, die ich erledigen will. Meine Freundin fühlte die Frustration mit mir. Ich wollte, dass sie versteht, dass das, was man normalerweise tut, wenn man gesund ist, für mich bedeutet, tausend kleine Aufgaben auf einmal zu erledigen. Ich muss über das Wetter, die Temperatur und den gesamten Tagesplan nachdenken, bevor ich den Tag in irgendeiner Weise beginnen kann. Wenn andere die Dinge einfach tun, muss ich eine Strategie aufstellen, als würde ich in die Schlacht ziehen. Es ist diese Lebensweise, die einen gesunden Menschen von einem Lupuspatienten unterscheidet. Es ist diese wunderbare Freiheit nicht nachzudenken, sondern einfach zu tun. Das vermisse ich sehr. Ich vermisse es, nie meine „Löffel“ zählen zu müssen.

Wir redeten noch eine Weile darüber und ich glaubte, dass sie mich jetzt verstand. Wahrscheinlich würde sie nie wirklich nachvollziehen, was es heißt mit Lupus zu leben, aber vielleicht würde sie sich jetzt nicht mehr so oft beschweren, wenn ich mich nicht spontan zum Dinner mit ihr treffe, oder ich ihr versprochen habe vorbei zu kommen, nur um sie dann kurzfristig zu bitten doch zu mir zu fahren. Wir umarmten uns und als wir das Cafe verließen gab ich ihr einen Löffel und sagte: „Mach dir keine Sorgen, ich sehe das als ein Geschenk, denn ich bin dazu gezwungen, mir über jede meiner Entscheidungen Gedanken zu machen. Kannst du dir vorstellen wie viele Löffel die Menschen jeden Tag verschwenden? Ich habe keinen Platz für verschwendete Zeit, oder verschwendete Löffel. Und ich habe mich entschieden, heute Abend mit dir zu verbringen.“ Seid diesem Tag sprechen wir oft über meine „Löffel“, sie sind zu einem Symbol für mein Leben mit dem Lupus geworden. Und jedes Mal, wenn ich Zeit mit meiner Familie, oder meinen Freunden verbringe, sehen sie das als besonders, denn Sie haben einen meiner Löffel bekommen.

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